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Ausstellung "Rebellion des gemeinen Mannes"

Bauernrevolten

Ausstellung "Rebellion des gemeinen Mannes": Bauernrevolten
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Wenig verbindet die heutigen Traktorproteste mit dem Bauernkrieg vor 500 Jahren. Die Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn versucht, einen Bogen zu schlagen. Auch heute kämpfen Bauern um ihre Existenz. Allein im Südwesten verschwinden jährlich mehr als 500 Betriebe.

500 Jahre nach Ausbruch des Bauernkrieges würdigte das Württembergische Landesmuseum diesen mit fünf Projekten. "Die Zeichen stehen auf Sturm", schrieb das Museum im Februar 2024 in einer Pressemitteilung. Zu Beginn des Jahres hatten Demos von Landwirt:innen die Schlagzeilen gefüllt. "Die Bauernproteste und die Demonstrationen gegen rechts sind in aller Munde. Selten war ein Ausstellungsthema so aktuell." Traktordemos 2024 und Bauernkrieg 1525: alles eine Chose?

War es überhaupt ein Krieg, war es ein "Aufstand des gemeinen Mannes" oder die erste deutsche Revolution, wie Friedrich Engels meinte, der den Blick auf die Rebellion lange Zeit geprägt hat? Auch die heutigen Proteste werfen Fragen auf: Waren Diesel-Steuerprivilegien wirklich der einzige Grund? Sind die demonstrierenden Bauern Anhänger der AfD? Lässt sich der Protest damals und heute überhaupt vergleichen?

Die Sicht auf den Bauernkrieg hat sich gewandelt. Das zeigt die Ausstellung "Rebellion des gemeinen Mannes" in der Heilbronner Kunsthalle Vogelmann, die drei verschiedene künstlerische Perspektiven auf den Aufstand 1525 gegenüberstellt: Der Barbara-Altar aus Schwaigern stammt von Jerg Ratgeb (1480 bis 1526). Der Maler wurde als ein Anführer der Rebellion gevierteilt. Klassische Arbeiten zum Thema, unter anderem von Käthe Kollwitz (1867 bis 1945) und HAP Grieshaber (1909 bis 1981), folgten der Perspektive von Engels. Heutige Künstler:innen sehen die Ereignisse ganz anders.

Zum Beispiel Andreas Mayer-Brennenstuhl, von dem die spektakulärste Arbeit kommt: ein originalgroßes Modell eines Fendt-Traktors, gevierteilt wie einst Jerg Ratgeb. Jede:r kann sich seinen Teil dabei denken: Sieht der Künstler die Bauernproteste heute in der Tradition des Aufstands vor 500 Jahren? Würde er die Traktor-Demonstranten am liebsten vierteilen? Seine Arbeit bleibt offen für verschiedene Deutungen.

Mayer-Brennenstuhl erklärt: Er sieht die Traktor-Demos als Drohgebärde. Der Gewalt, die vom Bild des gevierteilten Traktors ausgeht, wollte er jedoch eine andere Perspektive gegenüberstellen. Er lud zu einem Dialog. Dabei saßen jeweils vier Teilnehmer:innen um eine auf ihren Knien ruhende Tischplatte. Zuerst sahen sie ihrem Gegenüber drei Minuten lang unverwandt ins Gesicht, das sie zugleich zeichneten, ohne dabei auf ihre Hände zu sehen. Dann äußerten sie sich nacheinander je drei Minuten lang zu gesunder Ernährung und Einkaufsgewohnheiten, zur Landwirtschaft und zu den Bauernprotesten.

Der Künstler folgt dem Dialog-Konzept des amerikanischen Quantenphysikers David Bohm. Ziel ist nicht, Einigkeit zu erzielen, sondern dass Menschen, die ein Thema aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln wahrnehmen, in diesem Fall also etwa der Landwirtschaft, der Ökologie oder der Ernährung, einander zuhören. Dabei sollten auch Vertreter der konventionellen Landwirtschaft zu Wort kommen.

Mayer-Brennenstuhl schrieb dazu Joachim Rukwied an, den Präsidenten des Bauernverbands, der wie er selbst aus Heilbronn stammt: Ob er ihm einen geeigneten Gesprächspartner nennen könne. Nach mehreren unbeantworteten E-Mails rief er Rukwieds Sekretärin an. Die Antwort war schroff: "Das interessiert uns nicht." Auf den Dialog verzichtet der Landwirt, seine Interessen und Botschaften kommuniziert er auf anderem Wege: Wenige Tage später forderte Rukwied in der "Heilbronner Stimme" eine Notfallzulassung für Insektizide.

Was nun? Der Künstler wandte sich an die Winzerin und CDU-Stadträtin Susanne Schnepf. Sie machte Termingründe geltend, fügte jedoch spitz hinzu, "dass die Praktiker aus der Landwirtschaft durchaus wissen, wie sie mit dem genannten Thema umzugehen haben und die ausgebildeten Landwirte und Winzer nicht länger die ideologische Bevormundung durch ökologische Aktivisten dulden." Ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einer solchen Veranstaltung sei gering. "Die gegenseitigen Meinungen sind hinlänglich bekannt und überall zugänglich. Ein Stuhlkreis wird keine neuen Informationen bringen."

Nicht alle Bauern mögen den Bauernverband

Doch nicht alle "Praktiker aus der Landwirtschaft" schlagen in dieselbe Kerbe. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass Landwirt:innen sich auch abseits des Bauernverbandes zusammenschließen. Bereits in den 1980er-Jahren gründete sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), hervorgegangen aus einem Arbeitskreis Junger Landwirte in Herrenberg, der die Subventionspolitik der EU in Frage stellte und sich vom Bauernverband nicht richtig vertreten fühlte. Am 20. März, genau 500 Jahre nach der Verabschiedung der "zwölf Artikel" der Bauern in Memmingen – eine Art früher Menschenrechtserklärung –, sprach deren langjähriger Geschäftsführer Georg Janssen am selben Ort auf einer Kundgebung.

"In Memmingen wurde Geschichte gemacht", betont Janssen. "Aber was bedeutet denn das für heute?" Er sehe eine Klammer zwischen 1525 und 2025: "Viele Bäuerinnen und Bauern fühlen sich in ihrer täglichen und harten Arbeit nicht wertgeschätzt." Wertschätzung müsse sich in fairen Preisen ausdrücken. "Landwirtschaftliche Investoren reißen sich das Land unter den Nagel", kritisierte Janssen zudem den Kampf um Ackerboden. Besonders wichtig ist ihm, dass Bauern ihr eigenes Saatgut verwenden können, statt Gebühren an Großkonzerne zu zahlen.

Wie unterscheidet sich die heutige Situation von 1525? Kontext hat beim AbL-Landesverband Baden-Württemberg nachgefragt. "Der ganz große Unterschied zwischen damals und heute ist", antwortet dessen Geschäftsführerin Daniela Dorrer, "dass vor 500 Jahren die große Mehrheit der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitete." Heute sind es nur noch zwei Prozent der Beschäftigten. 32.000 Landwirtschaftsbetriebe gab es 2023 in Baden-Württemberg – dreißig Jahre zuvor waren es noch viermal so viele. Jedes Jahr verschwinden mehr als 500 Höfe. Und zwei Drittel betreiben den Hof nur im Nebenerwerb.

Der Hauptgrund für das Höfesterben ist die Politik der EU. Subventioniert wird nach Fläche: Wer mehr hat, bekommt mehr. Heute werden zwar auch Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) gefördert, aber was hilft es, wenn links des Feldwegs die Artenvielfalt zerstört und rechts dafür eine Ausgleichsfläche eingerichtet wird? "Sollten wir nicht die Landwirtschaft selbst so betreiben, dass die Arten erhalten bleiben?", fragt Dorrer.

Die AfD spaltet auch hier

Dorrers Vorgänger Frieder Thomas ist Geschäftsführer des Vereins Agrarbündnis, dem 26 Organisationen angehören: nicht nur Landwirte von der AbL oder Bioland, sondern auch Imker, der BUND oder das Netzwerk solidarische Landwirtschaft. Thomas ist gerade dabei, einen Sammelband zur Soziologie der Bauernproteste zusammenzustellen. Ungefähr 30 Prozent der Bauern, die vor einem Jahr auf die Straße zogen, sagt er, tendieren zur AfD. Daneben gibt es die konventionellen Landwirte um den CDU-nahen Bauernverband, aber auch, was Thomas das "Öko-Milieu" nennt, das sich eher in der AbL findet. Dort waren die Proteste umstritten. Manche gingen nicht hin wegen der AfD.

Was die bäuerliche Landwirtschaft von den Großbetrieben unterscheidet, die von der EU-Förderung nach Fläche profitieren, erklärt Thomas so: Der bäuerliche Betrieb versucht die vorhandenen Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen. Eine Kuh gibt Milch und liefert Fleisch, die Ausscheidungen der Tiere düngen die Felder, jemand aus der Familie verkauft noch auf dem Wochenmarkt. Das alles bedeutet viel Arbeit.

In der technikoptimierten industriellen Landwirtschaft dagegen ist der Arbeitsaufwand, bezogen auf dieselbe Fläche, viel geringer. Sie verbraucht Ressourcen, indem sie riesige Felder in Monokultur beackert und dabei auf Düngemittel und Insektizide angewiesen ist. Im Großbetrieb liefert die Milchkuh nur Milch, dafür aber viel mehr.

Für die Nahrungsmittelversorgung ist die hohe Produktivität der industriellen Landwirtschaft nicht notwendig. Die Überschüsse gehen in den Export. Dorrer erinnert daran, dass sich Baden-Württemberg für 2030 das Ziel gesetzt hat, 30 bis 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch zu bewirtschaften. Derzeit sind es nur 14 Prozent.

"Ökonomische Probleme haben alle", betont Thomas. Auch ein Großbetrieb wie der von Rukwied müsse Investitionen tätigen, die sich erst nach zwanzig Jahren amortisieren. Umweltauflagen können sein Geschäftsmodell ins Wanken bringen. Kleinbauern wiederum können mit den großen Betrieben preislich nicht konkurrieren. Sie müssen andere Wege finden: Direktvermarktung etwa oder mit einer höheren Qualität punkten wie die biologische Landwirtschaft.

Was sie alle eint ist, dass sie von verschiedenen Seiten unter Druck stehen. Auf der einen Seite steigen die Bodenpreise. Auf der Welt gibt es Unmengen an Kapital, das auch landwirtschaftliche Flächen als Anlageobjekt betrachtet. Wer selbst von den Eltern geerbten Grund und Boden besitzt, kann noch froh sein. Aber auch in Baden-Württemberg sind 60 Prozent der Anbauflächen gepachtet, anderswo oft noch viel mehr.

Auf der anderen Seite stehen die Bauern der geballten Macht der Discounter und Lebensmittelhändler gegenüber. Aldi und Lidl, Rewe und Edeka bestimmen die Preise. Das freut die Verbraucher. Um 1900 gaben sie die Hälfte ihres Einkommens für Lebensmittel aus, heute nur noch ein Sechstel. Aber die Bauern können von den Einnahmen kaum noch leben.

Niemand protestiert ohne Grund. Heutige Bauern verbindet nur wenig mit ihren Vorgängern vor 500 Jahren, die noch keine Traktoren und kein Dieselöl kannten. Eines haben sie dennoch gemein: Sie stehen ökonomisch unter Druck. Denn gegenüber Landbesitzern und Lebensmittelhändlern befinden sie sich in einer schwachen Position. Das ist der eigentliche Grund, warum sie auf die Straße ziehen, während Dieselprivilegien oder Umweltauflagen nur der jeweils aktuelle Anlass sind.


Die Ausstellung "Rebellion des gemeinen Mannes" in der Kunsthalle Vogelmann, Heilbronn, läuft bis 25. Mai. Mehr dazu hier.

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