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Karlsruher Turmbergbahn

Millionen für 175 Meter

Karlsruher Turmbergbahn: Millionen für 175 Meter
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Die Turmbergbahn in Karlsruhe soll länger, moderner und barrierefrei werden. Doch an dem Großprojekt entzündet sich seit Monaten lautstarke Kritik über Kosten, Nutzen und Gestaltung der neuen Verbindung. Im Januar will der Karlsruher Gemeinderat entscheiden.

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"Geldverschwendung", "Größenwahn" oder "überdimensioniert und brutal", sagen die Kritiker:innen. Die Verlängerung der Bahnverbindung zum bekanntesten Berg Karlsruhes ist seit Monaten ein Aufreger in der Stadt. Schon 2017 begannen die Planungen, und schnell legten sich die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) auf eine Variante fest. Allein der Abriss, Neubau und die Verlängerung der historischen Turmbergbahn können die Attraktivität und den barrierefreien Zugang zum Turmberg sichern, so dier Argumentation. Um das Projekt umzusetzen, muss die Stadt Karlsruhe aber finanzielle Mittel bereitstellen. Doch der zuständige Gemeinderat verschob seine Entscheidung darüber immer wieder.

Die Turmbergbahn in Karlsruher Stadtteil Durlach ist seit 1888 in Betrieb und damit die älteste Standseilbahn Deutschlands (Jene in Stuttgart ist gut 40 Jahre jünger.). Sie gilt als Freizeitbahn und ist bislang nicht in das Netz des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) integriert. Zum Jahresende lief die Betriebserlaubnis ab und ließ sich nicht mehr verlängern. Am 29. Dezember erklomm die alte Turmbergbahn ein letztes Mal den 257 Meter hohen Berg. Seither ist der Turmberg mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr zu erreichen. Erst im Laufe des Januars wollen die VBK der Politik und Öffentlichkeit eine Kostenschätzung für einen Ersatzverkehr während der Bauzeit präsentieren.

Hohe Investition im Sparhaushalt

Doch ob es eine Bauzeit überhaupt geben wird, ist noch offen. Am 21. Januar will der Karlsruher Gemeinderat über die Planungen zur neuen, verlängerten Turmbergbahn entscheiden. Die geplanten Umbauten sehen eine Verlängerung der Strecke von bisher 315 auf 490 Meter vor, wodurch die Bahn künftig bis zur Bundesstraße 3 (B3) reichen soll. Ziel ist es, eine direkte Anbindung an das bestehende öffentliche Nahverkehrsnetz zu schaffen und somit den Umstieg für Fahrgäste zu erleichtern. Zudem sollen die neuen Fahrzeuge barrierefrei gestaltet werden, um den Anforderungen an einen modernen Personentransport gerecht zu werden.

Einer der größten Streitpunkte des Projekts sind die Kosten. Rund 32 Millionen Euro sind aktuell dafür veranschlagt, wobei die Stadt Karlsruhe auf eine Förderung des Landes in Höhe von 50 Prozent der Kosten hofft. Schon länger fürchten Kritiker:innen, dass es deutlich teurer werden könnte und sprechen von bis zu 50 Millionen Euro. "Großprojekte werden immer teurer", sind die Gegner:innen des Projekts überzeugt.

Schlechte Erinnerungen an Großprojekte

Die Skepsis wird durch frühere städtische Großprojekte genährt. Allein die Sanierungen des Wildparkstadions und der Stadthalle sowie der Neubau des Autotunnels in der Kriegsstraße kosteten letztlich insgesamt 121 Millionen Euro mehr als ursprünglich vom Gemeinderat dafür eingeplant. Bei städtischen Bahnprojekten werden zudem vielfach Erinnerungen an die "Kombilösung" bei der U-Bahn wach, die den städtischen Haushalt letztlich etwa achtmal so viel Geld kostete wie ursprünglich veranschlagt.

Darüber hinaus reißen die Folgekosten des kleinen Karlsruher Stadtbahntunnels in Höhe von 33 Millionen Euro pro Jahr das Finanzloch der städtischen Verkehrsbetriebe weiter auf. Für das Jahr 2023 wiesen die Verkehrsbetriebe ein Defizit von knapp 100 Millionen Euro aus. Während auf der einen Seite das Angebot an Bussen und Bahnen eingeschränkt werden soll, sei eine Großinvestition in die Turmbergbahn nicht zu vermitteln, lautet die Klage der Gegner:innen.

Befürworter des Projekts argumentieren hingegen, dass die Modernisierung und Verlängerung der Turmbergbahn eine nachhaltige Verbesserung der Infrastruktur darstellt. Durch die direkte Anbindung an das Liniennetz mittels einer Unterführung für Fußgänger:innen könnten mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Der Autoverkehr könne reduziert und die Umwelt geschont werden. Zudem sei der barrierefreie Ausbau ein wichtiger Schritt hin zu mehr Inklusion im öffentlichen Raum.

Gründe genug für die VBK, die Verlängerung der Turmbergbahn voranzutreiben. Der Nutzen rechtfertige die hohen Investitionen, ist das städtische Unternehmen überzeugt. "Sicherlich ist die Anfangsinvestition hoch, jedoch sind die Betriebskosten sehr gering", erklärt die VBK und verweist auf geringe Unterhaltskosten durch den weitgehend autonomen Fahrbetrieb der Bahn, der ohne eigene Fahrer:innen auskommen soll. Im Vergleich dazu wäre ein Bus- oder Shuttlebetrieb für den Turmberg "sehr personalintensiv", so die VBK, "ein Aspekt, der sich langfristig bezahlt macht."

Zweifel am Nutzen

Der Nutzen der neuen Turmbergbahn wird auf der anderen Seite bezweifelt. Dazu wird die Gestaltung kritisiert. Die Trasse soll auf dem Grünstreifen eines alten gewachsenen Wohngebiets entstehen. "Die Magnolienallee in der Bergbahnstraße – zerstört. Ein ganzes Wohngebiet durch ein massives Bauwerk – zerschnitten. Nutzwert der verlängerten Bergbahn für Anwohner – Null", sagt Lüppo Cramer von der Karlsruher Liste, einer alten Abspaltung von den Grünen. Ebenso sieht der Gestaltungsbeirat der Stadt Karlsruhe unter anderem in dem geplanten Zaun zwischen Wohnhäusern eine "gestalterisch abzulehnende Barriere" und fordert, auf die Verlängerung der Strecke der Turmbergbahn zu verzichten.

Auch die Gegner:innen der neuen Turmbergbahn wollen, dass künftig eine Bahn auf den Berg fährt. Dazu solle der Neubau jedoch auf den bestehenden Streckenverlauf begrenzt und die jetzige Abfahrtsstation beibehalten werden. Um mobilitätseingeschränkte Menschen die 300 Meter von der Straßenbahnstation Turmberg zur Talstation zu bringen, solle ein Busverkehr eingerichtet werden. Dies könne von bestehenden Buslinien erledigt werden, sind sie überzeugt. Eine solche Lösung würde die nötigen Investitionskosten um etwa zehn Millionen Euro reduzieren, geht aus Berechnungen der VBK hervor.

Vorentscheidung gefallen

Doch bislang steht die Mehrheit der Karlsruher Parteien und Fraktionen für die neue, verlängerte Turmbergbahn. Eine erste Tendenz zeigte sich bei der Abstimmung im Ortschaftsrat des Karlsruher Stadtteils Durlach. Mit 12 Ja- gegen fünf Nein-Stimmen votierte der Rat für das Projekt. Doch wie umstritten die Entscheidung vielfach ist, zeigte sich auch darin, dass sich in mehreren Fraktionen einzelne Abgeordnete gegen die Entscheidung der Fraktionsmehrheit stellten. Die wenige Tage später geplante Abstimmung im Gemeinderat wurde vorschoben, da es aus Sicht von mehreren Fraktionen noch zu viele offene Fragen gab.

Klar entschieden gibt sich dabei die Partei des Oberbürgermeisters Frank Mentrup (SPD). "Wer etwas lösen will, sucht nach Lösungen. Wer etwas nicht lösen will, sucht nach Argumenten", klagt SPD-Stadtrat Mathias Tröndle über die "lautstarke Kritik" an der Verlängerung der Turmbergbahn. Seit dem Beginn der Planungen im Jahr 2017 seien der "Worte genug gewechselt", die Politik müsse jetzt entscheiden. Für ihn ist die vorliegende Planung letztlich gar "alternativlos", da sonst das Naherholungsgebiet auf dem Turmberg "im Autoverkehr ersticken" würde. Auch die Grünen wollen die verlängerte Turmbergbahn. "Durch die Integration in den ÖPNV wird der Turmberg ein barrierefrei und erschwinglich erreichbares Ziel für alle", heißt es von der größten Fraktion im Karlsruher Gemeinderat.

Die Prognosen der Fahrgastzahlen seien "ein klein wenig hoch angesetzt", heißt es aus der CDU-Fraktion. Statt der geplanten 260.000 Fahrgäste im Jahr sei eher mit etwa 170.000 zu rechnen, sagt Andreas Kehrle (CDU). Trotz der "wenig rosigen Haushaltslage" würde dies aber auch für einen wirtschaftlichen Betrieb ausreichen. Kritischere Stimmen sehen in den optimistischen Verkehrsprognosen hingegen einen Versuch, den Nutzen des Projekts künstlich hochzurechnen. In der Vergangenheit wurde die Turmbergbahn von etwa 120.000 Fahrgästen pro Jahr genutzt.

Die Debatte um die Turmbergbahn offenbart, wie stark das Misstrauen gegenüber städtischen Großprojekten in Karlsruhe inzwischen gewachsen ist. Selbst wenn die Notwendigkeit des Ausbaus des öffentlichen Nahverkehrs kaum bestritten wird und es dabei nur um einen kurzen Weg auf den Berg geht.

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4 Kommentare verfügbar

  • armin seideneder
    vor 1 Woche
    Antworten
    kleine Ergänzung: die Bildunterschrift: „Älter ist deutschlandweit keine. 257 Höhenmeter schafft sie.“ ist nicht korrekt - sie schafft 100 Höhenmeter.

    Die Aussage: „Durch die direkte Anbindung an das Liniennetz mittels einer Unterführung für Fußgänger:innen könnten mehr Menschen den öffentlichen…
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Ausgabe 720 / Weiter so, Elon! / Cornelius W. M. Oettle / vor 9 Stunden 39 Minuten
Danke, werd ich mir gleich mal anhören!




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