Wenn das Kaufhaus weg ist, fehlt in der Innenstadt ein Laden, in dem nahezu alles zu kaufen ist. Das zieht Menschen in die Stadt, die dann auch woanders einkaufen. So jedenfalls die gängige Lesart. Seitdem Galeria-Karstadt-Kaufhof eine Pleite nach der anderen anmelden musste – kürzlich die dritte Insolvenz –, stehen immer mehr Kommunen mit einem in der Regel hässlichen, großen und nunmehr leeren Klotz in ihren Innenstädten da. Viele tausend Quadratmeter brauchen eine neue Nutzung, doch neue Kaufhausbetreiber sind derzeit rar. Und noch einen Benko will wohl niemand.
Die Debatten in den Kommunen laufen also. Am liebsten sind Investoren gesehen – ungeachtet der Erfahrung, dass diese in der Regel vor allem ein Interesse haben: Geld verdienen. Das Leben der Stadtbewohner:innen interessiert sie nur am Rande.
Kommunen, die darauf keine Lust mehr haben, kaufen selbst. Das planen derzeit unter anderem Hanau, Cottbus und Neuss. Auch Stuttgart hat den Kaufhof in der Eberhardtstraße erworben, in diesem Jahr soll das endgültige Nutzungskonzept erstellt werden, ein Haus der Kulturen gilt dabei bereits als gesetzt.
In Baden-Württemberg müssen ab diesem Jahr fünf Städte mit einem leeren Kaufhaus klarkommen. In Heidelberg hat der Kaufhof schon vorige Woche die Türen geschlossen. Nun wartet nach SWR-Informationen ein Heidelberger Interessent auf das Insolvenzverfahren, um das ehemalige Horten-Haus am Bismarckplatz zu kaufen. Pforzheim erklärt auf Anfrage, dass die Stadt mit dem Eigentümer – ein internationaler Immobilienfonds – sowie mit verschiedenen Kaufinteressenten seit vergangenem Frühjahr in engem Austausch stehe und meint, dass sich dabei "Lösungen abzeichnen", die im Sinne der Stadt sind.
Auch Reutlingen, dessen nunmehr geschlossenes Kaufhaus direkt gegenüber vom Bahnhof steht, erklärt, es hoffe auf einen Investor – würde allerdings auch selbst kaufen, wenn es nicht anders geht. Jedenfalls hat der Gemeinderat beschlossen, dass ein Käufer sich zu Handel, Büro, Gastronomie plus Begrünung verpflichten muss. Für den Fall, dass sich keiner findet, hat sich die Stadt das Vorkaufsrecht gesichert.
Ein Investor, der nicht investiert
In Esslingen schließt an diesem Mittwoch der Karstadt seine Pforten. Die Regale sind nahezu leer gekauft, Schaufensterpuppen gab es zum Schluss für 75 Euro. Die 95.000-Einwohner-Stadt am Neckar ist doppelt gebeutelt, da Ende Januar auch noch das Modehaus Kögel schließt, ein alteingesessenes großes Bekleidungsgeschäft. Mit dem Wegfall beider Häuser erhöht sich der Leerstand in der Innenstadt auf einen Schlag von 10 auf 30 Prozent, erklärte Esslingens Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD) jüngst auf dem städtischen Neujahrsempfang und suggerierte Zeitdruck.
Der OB hatte bereits im Sommer per Pressemitteilung Ideen für die beiden Gebäude öffentlich gemacht: In den Kögel könnte die Stadtbücherei einziehen, in den Karstadt die Volkshochschule (VHS) plus Einzelhandel. Selbst kaufen will die Stadt das Karstadt-Areal nicht. Immerhin stand damit etwas Konkretes im Raum, das diskutiert werden konnte. Debattiert wurde allerdings vor allem über die Bücherei, deren Entwicklung und Standort schon seit Jahren für Streit sorgt. Bezüglich des VHS-Karstadt-Plans blieb es merkwürdig ruhig.
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nesenbacher
am 19.01.2024