Sie meinen, das haben die bisherigen Betreiber nicht bedacht?
Die Warenhausleiter vor Ort waren Befehlsempfänger von weit entfernten Zentralen. Die sehen sich in Konkurrenz zu anderen Konzernen. Aber das Haus vor Ort konkurriert mit dem Einzelhandel vor Ort. In Konstanz ist es vielleicht sinnvoll, auch im September noch Badehosen zu verkaufen, da ist der Bodensee, das Wetter ist mild. Aber in Frankfurt am Main wären Badehosen im September eher unsinnig. Das heißt, man muss den Markt vor Ort sondieren.
Aber dass es der stationäre Einzelhandel schwer hat durch den Onlinehandel, stimmt doch. Vor allem jüngere Menschen haben sich längst an "Klick und gekauft" gewöhnt, warum sollen die in ein Warenhaus gehen?
Ja, mag sein. Aber zum einen gibt es eine zunehmende Zahl von Älteren. Und auch Jüngere gehen in die Stadt, wenn es da für sie ein sinnvolles Angebot gibt. Zum Beispiel Beratung im Haus, dort auch bestellen, dort auch die Möglichkeit haben zurückzugeben. Die Expertise von Verkäufer:innen sollte man nicht unterschätzen. Wenn ich eine Hose brauche, schaut eine gute Verkäuferin mich an und sagt: Ich empfehle Ihnen Größe 32 oder 33. Und gibt mir zwei Hosen mit, die ich anprobieren kann. Im Internet gibt’s das nicht.
Insgesamt hadert gerade der alteingesessene stationäre Einzelhandel mit dem Online-Handel. In Baden-Württemberg hat das Wirtschaftsministerium jüngst 1,76 Mio. Euro verteilt für "Einkaufserlebniskonzepte im Einzelhandel". Ist das sinnvoll, um den Einzelhandel zu stärken?
Das machen auch andere Länder. Wenn die Geld verteilen, geht das üblicherweise in den Erlebniskauf, was meistens nichts anderes bedeutet, als ein Event zum Massenkonsum anzubieten. Ökologisch ist das eher bedenklich und es ist sehr kurzfristig gedacht. Wichtiger ist die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse vor Ort. Eine Region braucht keinen Erlebniskauf, sondern ein aufeinander abgestimmtes Konzept, um die Bedürfnisse vor Ort und in der Region zu befriedigen.
Das mutet sehr theoretisch an. Könnten Sie das konkretisieren?
Nehmen wir das Auto. In den Innenstädten will man das eigentlich nicht mehr haben. Also muss es ein sinnvolles Park & Ride-System geben. Der Abtransport von Waren muss für die Kundschaft organisiert werden, zum Beispiel über eine Beschäftigungsgesellschaft. Der ÖPNV muss ausgebaut werden. Es muss viel beachtet werden. In Heidelberg, wo ich wohne, ist beabsichtigt, das Gebiet zwischen Hauptbahnhof und Bismarckplatz zu einer Flaniermeile auszubauen. Ich bin sicher, das wird den Einzelhandel in der Hauptstraße in der Altstadt schwer treffen. Weil dem Kaufkraft abgezogen wird. Das finde ich nicht sinnvoll. Da wurde eben im Vorfeld nicht in Zusammenhängen gedacht.
7 Kommentare verfügbar
NKs
am 27.02.2023Wobei die Idee so falsch ja nicht ist. Habe in einem Urlaubsort im allgäu die Gründung eines Dorfladens erlebt, in Form eine UG…