Die Stuttgarter Museumschefin Inés de Castro hat sich das Thema zu eigen gemacht. Nachdem das Linden-Museum bereits die Provenienzforschung zu kolonialen Objekten initiiert, Kulturgüter an Namibia und Nigeria restituiert hat und sich nun zeigt, dass Stuttgart die meisten Kamerun-Objekte besitzt, hat sie zu dem zweitägigen Kennenlerntreffen eingeladen. Der Dialog mit den Partner:innen aus Kamerun leistet eine wichtige Vorarbeit für die Rückführung von Kulturgütern, doch am Ende entscheidet die Politik, wie de Castro und ihre Kollegin aus Leipzig, Léontine Meijer-van Mensch, hervorheben.
"Sie können sich unserer Unterstützung sicher sein", versichert Anna Bartels vom Auswärtigen Amt, darin einig mit Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne). Bartels fügt hinzu: "Kamerun bestimmt das Tempo." Eine "neue Ära der kulturellen Zusammenarbeit" erkennt Ingo Mix vom Kultur-Staatsministerium von Claudia Roth (Grüne) und berichtet, was alles schon in die Wege geleitet wurde: etwa ein deutsch-französischer Fonds zur Provenienzrecherche oder das MuseumsLab am ZKM in Karlsruhe für junge afrikanische und deutsche Museolog:innen.
Die gemeinsame Geschichte gemeinsam erforschen
"Haben Sie keine Angst davor, was passiert, wenn 40.000 Objekte aus den deutschen Museen verschwinden?", fragt der Journalist des kamerunischen Staatsrundfunks. "Wir müssen neu lernen", bekennt van Meijer-van Mensch. Die bisherigen Kenntnisse sind lückenhaft und von Vorurteilen geprägt. Man solle daher Restitution nicht als Verlust, sondern als Gewinn betrachten, meint sie.
Warum überhaupt restituieren? "Wir sind nicht schuld, aber wir tragen Verantwortung", findet van Meijer-van Mensch. Olschowski hat gleich einleitend die beste Begründung gegeben: "Kulturgüter sind wichtig für das Selbstbild und die Identität eines Landes", betont sie. In Deutschland befinden sich sehr viel mehr Kulturgegenstände aus Kamerun als im eigenen Land. In den Archivkarten der Museen ist das Wissen dazu gespeichert. Von den deutschen Universitäten, die dazu forschen, können afrikanische Länder nur träumen.
Mit ihrem "Atlas der Abwesenheit" meint Bénédicte Savoy daher nicht nur die Abwesenheit von Objekten, sondern auch das Abbrechen der Überlieferung und die fehlende Aufarbeitung. Neben der politischen Dimension habe Restitution auch die Aufgabe, ein geteiltes Wissen zu erarbeiten und an die gemeinsame koloniale Geschichte zu erinnern. Auf die Frage, welche Probleme es dabei gäbe, erklärt sie: Am Geld liege es nicht, mit den Mitteln, die sie für Forschung und Austausch bewilligt bekomme, ließe sich auskommen.
Was sie dagegen sichtlich auf die Palme bringt, ist der Umgang der deutschen Botschaften mit der Visa-Frage. Junge Wissenschaftler:innen würden in ihrer Arbeit behindert. Sie selbst habe oft mehr mit bürokratischen Hürden zu tun als mit der Forschung. Ein Beispiel: Ein junger Afrikaner, der in Berlin promoviert, wurde kurzfristig zu einer Konferenz in sein Land eingeladen und wartet jetzt seit zwei Monaten auf sein Visum, um in Berlin seine Doktorarbeit fortsetzen zu können.
Aber sind die restituierten Kulturgegenstände in Kamerun auch gut aufgehoben? Keine Sorge, beruhigt Hugues Heumen Tchana, der Direktor des dortigen Nationalmuseums. Für die lokalen Herrscher sind die Insignien und andere wichtige Gegenstände, die ihnen übergeben werden sollen, sehr wichtig, sind sie doch Zeichen der Legitimität ihrer Macht. Und es gibt bereits ungefähr fünfzig Museen im Land. Weitere müssten noch gebaut werden, erklärt Tchana.
Der "Atlas der Abwesenheit. Kameruns Kulturerbe in Deutschland" ist hier kostenfrei downloadbar.
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