Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) war mit einiger Spannung erwartet worden, denn im vergangenen Dezember hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt: Wenn Zeitarbeiter:innen per Tarifvertrag schlechter als die Stammbelegschaft entlohnt werden, muss es einen angemessenen Ausgleich geben. Und der wiederum muss per Tarifvertrag festgelegt sein. Wer also 30 Prozent weniger Lohn bekommt, muss dafür beispielsweise mehr Urlaub erhalten oder mehr Überstundenzuschlag. Was genau und wie dieser Ausgleich erfolgt, der den "Gesamtschutz des Arbeitnehmers" garantieren soll, so der EuGH, hatten die Richter nicht festgelegt. Das obliege den einzelnen Staaten.
Hintergrund war die Klage einer Leiharbeiterin aus Bayern, die mit Hilfe von Verdi gegen ihre schlechtere Bezahlung in einem Handelsunternehmen geklagt hatte. Sie bekam 4,40 Euro weniger pro Stunde als ihre angestellten Kolleg:innen, insgesamt wollte sie 1.300 Euro einklagen. Das Verfahren zog sich, ging immer wieder in die nächste Instanz bis eben nach Luxemburg. Die Verfechter:innen von Equal Pay jubelten, als dort das pro Equal-Pay-Urteil fiel – und hofften, dass nun das Bundesarbeitsgericht, das dieses europäische Urteil abwarten wollte, der Leiharbeiterin ihre Lohnlücke zuspricht.
Tat es nicht. Die obersten Arbeitsrichter befanden, weil die Klägerin auch in verleihfreien Zeiten von ihrer Verleihfirma bezahlt werde, sei ihr Gesamtschutz gewährleistet. Fertig.
"Das Urteil enttäuscht mich", sagt Johannes Aevermann, der lange in der Zeitarbeit geschafft hat. Auch er klagt dagegen, dass er als Leiharbeiter in einer Markisenfirma schlechter bezahlt wurde als seine Kolleg:innen. Sein Verfahre ruht, da er und seine Anwälte die EuGH- und BAG-Urteile abwarten wollten. Nun sieht es wohl schlecht für sein Anliegen aus. "Mal sehen", sagt Aevermann. Erst müsse die Begründung des BAG-Urteils kommen. Die werde dann genau durchgearbeitet und – wer weiß – vielleicht gibt es da Anhaltspunkte, wie er weitermachen kann.
Überstunden abfeiern ist kein Ausgleich
Den Weg will auch Wolfgang Däubler einschlagen. Der renommierte Arbeitsrechtler hatte die Kampagne für Equal Pay für Leiharbeiter:innen vor sechs Jahren mit angeschoben, nach Kläger:innen gesucht, diese an Anwaltskolleg:innen weitervermittelt. Ihn ärgert schon lange, dass DGB-Gewerkschaften wie Verdi und IG Metall Tarifverträge mit der Leiharbeitsbranche abschließen, die schlechtere Löhne als für Stammbelegschaften vorsehen und so das gesetzliche Equal-Pay-Gebot umgehen. Dadurch, sagt Däubler, "verdienen 800.000 Arbeitskräfte im Schnitt 30 Prozent weniger als Festangestellte". Seiner Ansicht nach hat sich das Bundesarbeitsgericht über das Ansinnen des EuGH hinweggesetzt und nun vor allem den Billiglohn-Standort Deutschland gestärkt.
3 Kommentare verfügbar
D. Schneider
am 07.05.2024es ist nicht nur schlecht, dass Zeitarbeitskräfte schlechter bezahlt werden.
Es ist ein Armutszeugnis, dass es überhaupt soviel "Zeitarbeit" gibt, statt "Gute Arbeit z. B. in Begegnungscafes oder Fairem Handel (für Alt u. Jung). Mit solidarischen Grüßen, D. Schneider