Für die Fahrgäste ist kaum erkennbar, dass die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG) am 1. Januar die Bahnlinien von Abellio BW übernommen hat. Abellio fuhr seit 2019 auf den Linien von Stuttgart nach Tübingen, Heilbronn, Osterburken, Mannheim, Pforzheim und Heidelberg, hat sich aber im Juni in ein Schutzschirmverfahren begeben und Insolvenz angemeldet. Es sind immer noch dieselben Züge, die auf diesen Linien verkehren. Auch die Mitarbeiter sind die gleichen. Alle Arbeitsplätze blieben erhalten. Nur die Geschäftsführung hat gewechselt.
"Das Eisenbahnverkehrsunternehmen ist und bleibt die Abellio Rail Baden-Württemberg, die nun zumindest für die nächsten beiden Jahre zur SWEG gehören wird", so formuliert es das Verkehrsministerium Mitte Dezember auf Kontext-Anfrage. "Es ist vorgesehen, dass die bisherige Abellio-Gesellschaft noch einen neuen Namen erhalten wird." Kleinere Fahrplanänderungen hatte es bereits am 12. Dezember gegeben, vor allem zwischen Mühlacker und Heidelberg, während einige vorgesehene Verbesserungen zwischen Bietigheim-Bissingen und Pforzheim noch warten müssen.
"Wir haben immer klare Ziele verfolgt", betont Verkehrsminister Winfried Hermann, "das Zugangebot für die Fahrgäste stabil zu halten und die Arbeitsplätze der Beschäftigten bei Abellio Baden-Württemberg zu sichern. Dieses ist uns gelungen, die SWEG wird die ABRB für zunächst zwei Jahre übernehmen." Mit ABRB ist die Abellio Rail Baden-Württemberg gemeint.
Die SWEG, ein Bahn- und Busverkehrsunternehmen mit Sitz in der Schwarzwaldstadt Lahr, befindet sich zu 95 Prozent im Besitz des Landes – die restlichen fünf Prozent teilen sich der Landkreis Sigmaringen und der Zollernalbkreis. Kann ein Staatsbetrieb den Bahnverkehr nun doch besser organisieren als die Privaten? Ganz so einfach ist es nicht. Auch die SWEG ist als GmbH ein Privatunternehmen. Und Abellio ist eine hundertprozentige Tochter des Staatskonzerns Nederlandse Spoorwegen.
Die DB ist auch in anderen Ländern unterwegs
Andererseits ist auch die niederländische Staatsbahn, wie die Deutsche Bahn, seit 1994 eine Aktiengesellschaft. Die Unterscheidung führt eigentlich nicht weiter. Wie Abellio und Go-Ahead, die 2015 im Wettbewerb um die Stuttgarter Netze Erfolg hatten, ist auch die DB in anderen Ländern unterwegs. Ob der Mutterkonzern in den Niederlanden beheimatet ist oder bei Go-Ahead in Großbritannien, spielt im Prinzip keine Rolle. Die Tochtergesellschaften sind eigenständige Unternehmen, mit vielen ehemaligen Mitarbeitern der Deutschen Bahn.
Die DB hat sich für ihre Auslandsaktivitäten 2010 Arriva gekrallt, eines der führenden britischen Busunternehmen. Das betreibt seit 2003 auch Bahnlinien und ist 2005 in den deutschen Busmarkt eingestiegen. Seitdem bündelt die Deutsche Bahn ihre Aktivitäten in 14 anderen europäischen Ländern unter dem Label Arriva DB, während sie die deutschen Arriva-Bestandteile verkauft hat an Trenitalia, die Personenverkehrs-Sparte der italienischen Staats-AG Ferrovie dello Stato, die seither unter dem Namen Netinera in elf Bundesländern Bahn- und Buslinien betreibt.
Und so könnte man endlos fortfahren: Übernahmen, Umbenennungen, Neuausschreibungen, Betreiberwechsel. Was sich alles auf den Schienen tummelt, ist kaum mehr zu überschauen und ändert sich laufend. Transdev etwa, das zweitgrößte deutsche Bahn- und Busunternehmen, gehörte bis 2015 zum französischen Veolia-Konzern, dessen deutsche Bahn- und Busunternehmen bis 2006 unter dem Namen Connex firmierten. Der Markt bleibt in Bewegung. Nicht zuletzt aufgrund der europaweiten Ausschreibungen.
So auch in Baden-Württemberg. Das Verkehrsministerium betont: "Zur Ausschreibung gibt es erst einmal keine Alternative. Das ist durch Europarecht vorgegeben. Aber auch die Ergebnisse lassen sich durchaus sehen: Mit neuen Zügen werden jedes Jahr mehr Verbindungen angeboten als früher und das zu (inflationsbereinigt) niedrigeren Preisen."
Baden-Württemberg kompensiert die Verluste
Bei Abellio muss das Land nun allerdings zubuttern. Die Niederländer hatten die Reißleine gezogen, weil gestiegene Personalkosten und vor allem Strafzahlungen für Verspätungen infolge von Baustellen, die in diesem Umfang bei der Ausschreibung nicht vorhersehbar waren, einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich machten. Begreiflicherweise wollte der Staatskonzern nicht den Eisenbahnverkehr im Nachbarland subventionieren.
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