Der Streit um Arbeitszeit – egal ob wöchentliche oder jährliche – ist immer eine Machtfrage. Die Verfügung über Raum und Zeit ist ein wesentliches Herrschaftsmittel, und damit stellt sich letztlich die Grundfrage: Wer bestimmt über mich? Deshalb sind die Kämpfe um Arbeitszeit die härtesten. Der Weg hin zu 30 Tagen Urlaub begann Ende der 1970er mit einem sechswöchigen Streik der IG Metall, der mit einem Stufenplan endete. Seit 1981 stehen die 30 Tage. Seit den 1970er Jahren wurde eine wöchentliche Arbeitszeitverkürzung in den Gewerkschaften diskutiert, 1984 streikten sowohl die Drucker als auch die Metaller wochenlang für die 35-Stunden-Woche, Arbeitgeber sperrten aus, am Ende mussten Schlichter ran.
Wie ideologisch aufgeladen die Debatten waren, zeigt sich in Äußerungen wie "Lieber vier Wochen Streik als eine Minute Arbeitszeitverkürzung" vom damaligen Gesamtmetall-Chef Dieter Kirchner. Helmut Kohl (CDU), damals Bundeskanzler, nannte die Forderung der IG Metall "absurd, dumm und töricht". Die angeblich bedrohte Wettbewerbsfähigkeit wurde von Arbeitgeberverbänden, CDU und FDP hoch und runter beschworen. Am Ende stand die Einführung der 35-Stunden-Woche, die Arbeitgeber bekamen dafür Instrumente zur Arbeitszeitflexibilisierung.
Die ist auch heute ein großes Thema. In der Regel würden Arbeitgeber am liebsten vorschreiben, wann und wieviel die Belegschaft arbeitet. Arbeitnehmer möchten darüber aber lieber selbst entscheiden. Es geht also wieder darum, wer über Zeit und Raum bestimmt.
Wer weniger arbeitet, ist zufriedener
Arbeitszeitflexibilisierung beschäftigt auch die Parteien. In ihren Programmen zur Bundestagswahl im September kündigen CDU und FDP an, eine wöchentliche statt einer täglichen Arbeitszeit festlegen zu wollen. Ähnlich die Grünen, die von "Umgestaltung der starren Vollzeit" sprechen, immerhin "zum Vorteil der Arbeitnehmenden". Die SPD schließt eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit aus, nur die Linke geht im Sinne von Arbeitenden voran. Sie will die Vier-Tage-Woche und den Mindesturlaub im Bundesurlaubsgesetz von derzeit 24 auf 30 Tage anheben.
Damit ist die Linke auf europäischer Debattenhöhe: Island hat in den vergangenen Jahren zwei Versuche mit der Vier-Tage-Woche im öffentlichen Dienst durchgeführt. Ergebnis: Die Leute, die 32 Stunden gearbeitet haben, waren zufriedener, die Produktivität blieb konstant oder stieg. In Spanien beginnt auf Antrag der linken Partei Más Pais nach dem Sommer ein Versuch mit der Vier-Tage-Woche – in der Hoffnung, dass auf diese Weise Arbeitsplätze vor allem für junge Leute entstehen.
Weniger Arbeiten und trotzdem von seiner Arbeit leben können – das dürften sich viele Menschen wünschen. Die Debatte muss auch in Deutschland Fahrt aufnehmen. Geld ist schließlich genug da, nur zu viel am falschen Ort. So stiegen im Coronajahr 2020 alleine in Deutschland 69.000 Menschen zum Dollar-Millionär auf. Nicht durch ihrer Hände Arbeit, sondern vor allem durch Geldgeschäfte. Und dass Digitalisierung sowie Transformation mittel- und langfristig automatisch für mehr anständige Arbeitsplätze sorgen, erscheint unter derzeitigen politischen Machtverhältnissen eher illusorisch. Dafür muss heute wie damals bei den kämpferischen Bierbrauern selbst etwas getan werden. Arbeit muss auf mehr Schultern verteilt werden. Mehr Urlaub für alle!
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D. Hartmann
am 05.08.2021