"Ich gehe auf eine kleine Weltreise." Tatjana Woblaja freut sich sichtlich, als sie das erzählt. Die 25-jährige CNC-Dreherin steht gerade an einer Drehmaschine und misst ein kleines Metallteil. 13,47 Millimeter lang, 5,57 Millimeter Durchmesser – alles richtig gemacht. Das frisch gedrehte Teil wird für eine der diversen medizinischen Fasszangen benötigt, die bei Aesculap in Tuttlingen gefertigt werden. Woblaja ist eine der ersten Beschäftigten, die das Sabbatical in Anspruch nehmen. Vor zwei Jahren haben Unternehmensführung und die Gewerkschaft IG Metall plus Betriebsrat hier einen Zusatztarifvertrag zur Arbeitszeit abgeschlossen. Seitdem können die 3700 Beschäftigten eine Auszeit nehmen und ihre Arbeitszeit wählen: Zwischen 30 und 40 Wochenstunden sind möglich. Das erinnert an den jüngsten <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik auf-in-eine-neue-welt-4892.html _blank internal-link-new-window>Metall-Tarifvertrag vom Februar.
Um ein Jahr frei zu haben und dann wieder in die Firma zurückkehren zu können, hat Woblaja seit Mai vorigen Jahres nur die Hälfte ihres Lohns bekommen. Wenn die junge Facharbeiterin jetzt den Rucksack für Kanada, Australien, Japan schnürt, kommt ein Jahr lang jeden Monat die andere Hälfte ihres Gehalts aufs Konto. "Das ist natürlich super", sagt sie. "Ich brauche ja nicht viel. Ich schlafe in Hostels, da reicht das." Was sagen ihre – ausschließlich männlichen – Kollegen in der Kurzdreherei dazu? "Die glauben, ich käme gar nicht wieder. Klar ist jedenfalls, dass ich einen Ausstand geben muss." Was hätte sie getan, wenn es in der Firma kein Sabbatical gegeben hätte? Woblaja grinst. "Dann hätte ich gekündigt."
Mit 25 Jahren und einer guten Ausbildung lässt sich so etwas leicht sagen. Wer allerdings schon älter ist, eine Familie gegründet und ein Haus gebaut hat, begibt sich nicht so gerne auf den Arbeitsmarkt. Doch auch diese Frauen und Männer sollten die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeit zu variieren. Das befand jedenfalls vor zwei Jahren Ekkehard Rist, 61 Jahre alt, 18 davon Betriebsratsvorsitzender bei Aesculap. Rist ist ein Mensch mit Ideen. Das Modell für die Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden hat er maßgeblich mitausgehandelt. "Die Geschäftsführung war anfangs nicht sehr begeistert", erzählt der gelernte Chirurgiemechaniker. Man habe hart verhandeln müssen, am Ende stand das Modell.
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