Vor Kurzem bestätigte sich, worauf Kritiker schon lange hinwiesen: Die Bahn hat kein Konzept zur Evakuierung der Stuttgart-21-Tunnel im Fall eines ICE-Brandes. Auf Kontext-Nachfrage hat das Eisenbahnbundesamt (EBA) jedoch mitgeteilt, betriebliche Regelungen zum Brandschutz seien nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens, sondern entsprechende Nachweise seien "erst im Verfahren zur Inbetriebnahmegenehmigung" vorzulegen. Nach derzeitigem Stand kann Stuttgart 21 demnach, wenn dem EBA Leib und Leben der Fahrgäste nicht völlig egal sind, zwar fertig gebaut werden, aber nicht in Betrieb gehen.
Für die Fahrgäste nicht die schlechteste Variante. Denn längst ist absehbar, dass der achtgleisige U-Bahnhof viel zu klein dimensioniert ist. Wer sich ein Bild machen will, sollte sich einmal den Hamburger Hauptbahnhof im Berufsverkehr ansehen: Auf den zehn Gleisen, zwei davon für die S-Bahn, herrscht drangvolle Enge. Dabei sind die Bahnsteige breiter als die des Stuttgarter Tiefbahnhofs. Zudem sollen Fernreisezüge künftig im halbstündigen Deutschlandtakt verkehren, und auch den Regionalverkehr möchte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verdichten. Das wird mit der achtgleisigen Station nicht funktionieren.
Während aber die Politik den Kopf in den Sand steckt und allenfalls weitere Tunnelkilometer für zusätzliche Milliardensummen herbei fantasiert, hat das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 auf der Suche nach einem Ausweg bei zwei Professoren der Hochschule Coburg eine Studie in Auftrag gegeben, die am Freitag vorgestellt werden soll. Philipp Precht, Experte für Logistikmanagement, und Mathias Wilde, Professor für Vernetzte Mobilität, wollen darin klären, ob sich das sechzig Kilometer lange, für den Personenverkehr unzureichende Tunnelsystem stattdessen für Gütertransporte nutzen ließe.
In Hamburg läuft ein vergleichbares Projekt schon
Was beim ersten Hören exotisch klingt, ist tatsächlich ein naheliegender Gedanke: Wenn Güter und Waren aller Art nicht mehr mit dem Lkw in die City-Einkaufszone gebracht würden, sondern vom Stadtrand aus über ein unterirdisches Tunnelsystem, könnte dies die Straßen von Stau und die Luft von ziemlich viel Schadstoffen befreien. Götz Bopp von der Industrie- und Handelskammer (IHK) hatte Anfang des Jahres im Kontext-Gespräch diese Idee ventiliert. Tatsächlich hat die Stadt Stuttgart im Januar dazu eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sollen bis Jahresende vorliegen.
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AchimG
am 18.04.2021