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Bundesverdienstkreuz statt Knast

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Der Stuttgarter Wirtschaftsanwalt Eckart Seith war maßgeblich daran beteiligt, dass die skrupellose Plünderung europäischer Staatskassen mittels dubioser Aktiendeals wie CumEx aufgedeckt werden konnte. Doch statt einer Würdigung drohen ihm nun bis zu drei Jahre Haft in der Schweiz.

"Dieser Fall zeigt, das da was völlig schief läuft", sagt der Finanzexperte Gerhard Schick. Seit Anfang des Jahres macht der Grüne mit seiner neu gegründeten NGO "Bürgerbewegung Finanzwende" außerparlamentarische Arbeit. Als langjähriger finanzpolitischer Sprecher der Bundesgrünen hat sich Schick beharrlich dafür eingesetzt, dass der Bundestag Anfang 2016 einen Untersuchungsausschuss zum Steuerraub-Skandal eingesetzt hat. Damit sollten die Aktiendeals aufgearbeitet werden, mit denen Staaten um insgesamt 55 Milliarden Euro europaweit gebracht wurden, rund 30 Milliarden sind es in Deutschland.

"Die Hinweisgeber werden bedroht, den Tätern ist bisher nichts passiert", sagt Schick, das gehe gar nicht. Wer bei der Aufdeckung eines solchen Skandals helfe, habe die Solidarität der ehrlichen Gesellschaft verdient. Und Seith habe sich Verdienste um die deutsche Gesellschaft erworben, zumal CumEx nicht nur ein Raub gewesen sei, der Milliarden verschlungen habe, sondern auch das Vertrauen in die Demokratie geschwächt habe. Deshalb fordern Schick und sein Verein das Bundesverdienstkreuz für den Juristen – mit einer gestern online gegangenen Petition.

Gerechtfertigt sei das allemal: "Denn die Rückzahlung dieses Geldes bringt auch dem Steuerzahler richtig viel Geld", sagt Schick. In der kommenden Woche, am Dienstag den 26. und Donnerstag den 28. März, wird Seith in Zürich vor Gericht stehen. Ihm werden Geheimnisverrat und Wirtschaftsspionage vorgeworfen.

Begonnen hat der Wirtschaftskrimi schon vor Jahren. Damals verteidigte Seith den Drogerieunternehmer Erwin Müller, der fast 50 Millionen Euro in Aktiendeals der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin investiert hatte. Allerdings ohne zu merken, dass es dabei um Cum-Ex-Geschäfte ging, behauptet er. Was viele Jahre lang geklappt hatte, kippte bei ihm: Die Finanzbehörden wurden hellhörig, Auszahlungen gab es keine mehr, Müllers Geld war weg.

Kein Verbrechen, sondern ein "staatsbürgerlicher Akt"

Der Drogeriemogul engagierte Wirtschaftsanwalt Seith, seine 50 Millionen von der Schweizer Bank zurückzuholen. 2013 landen interner Dokumente der Bank zu CumEx im Briefkasten seiner Kanzlei, er tifft sich später mit Informanten aus der Bank. Die Unterlagen übergibt er an Behörden in Deutschland und der Schweiz. Die Kölner Staatsanwaltschaft beginnt zu ermitteln. In der Schweiz allerdings sieht es anders aus: Die dortigen Behörden gehen mit aller Härte gegen die Mitarbeiter vor, die Seith getroffen hatte. Beide werden verhaftet, weil Seith in Deutschland ist, ist es bei ihm nicht so einfach. (<link https: correctiv.org aktuelles cumex-files held-dieb-oder-spion _blank external-link>Ausführlich nachzulesen hier).

"Eckart Seith ist weit über das übliche Engagement eines Anwalts hinausgegangen und hat durch die Weitergabe der Dokumente die staatsanwaltlichen Ermittlungen in Deutschland ausgelöst. Das ist ein staatsbürgerlicher Akt", sagt Gerhard Schick. Im Text seiner Petition steht, der Anwalt habe "wesentlich dazu beigetragen, die kriminellen Cum-Ex-Akteure zur Verantwortung zu ziehen und damit Vertrauen in den Rechtstaat wiederherzustellen. Jetzt sollten wir ihn nicht hängenlassen, wenn diese Akteure mit Hilfe der Schweizer Justiz zurückschlagen."

Seith selbst sagte 2018 zum Recherchenetzwerk Correctiv: "Hinter einem formal korrekten Erscheinungsbild steht die Auftragsjustiz der heimischen Finanzindustrie. Das ist Strafjustiz, Einschüchterung, jeder Europäer soll wissen, dass er ins Gefängnis kommt, wenn er Fehlverhalten einer Schweizer Bank aufdeckt." Schick sieht es ähnlich: "Praktisch alle Leute, die relevant politisch, medial oder administrativ in diesem Falle tätig geworden sind, sind unter Druck gesetzt worden von den Cum-Ex-Akteuren."

Auch gegen Oliver Schröm, Chefredakteur des Recherchebüros "Correctiv", der gemeinsam mit seinem Team und 18 Medienpartnern den Mega-Betrug öffentlich machte, ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg – wegen Verdachts auf "Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen" im Zuge seiner Recherche. Übernommen haben die Hamburger den Fall von der Staatsanwaltschaft in Zürich, die offenbar schon lange gegen Schröm ermittelte. Als "Correctiv" die neueste Wendung öffentlich machte, schrieb einer auf Twitter: "Fassen wir kurz zusammen: Wer in Deutschland einen Milliardenbetrug begeht, nutzt 'nur' ein Schlupfloch. Wer den Betrug aufdeckt, betreibt Wirtschaftsspionage."

"Die Vehemenz, mit der gegen die Aufklärer vorgegangen wird, ist enorm", sagt Gerhard Schick. "Die Finanzen, die durch diese Geschäfte erwirtschaftet wurden, werden jetzt eingesetzt, um gegen die Aufklärer vorzugehen." Mit ihrer <link https: www.finanzwende.de kampagnen solidaritaet-mit-eckart-seith _blank external-link>Solidaritäts-Petition für Eckart Seith wollen Schick und seine "Finanzwende" ein "klares Zeichen" setzen, "dass die ehrlichen Menschen hinter ihm stehen! Wir fordern die Zivilgesellschaft und den deutschen Staat, die von Seiths Handeln profitiert haben, auf, sich gemeinsam mit uns solidarisch zu zeigen." Kurz vor Redaktionsschluss hatten schon mehr als 1000 UnterstützerInnen unterschrieben.


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