Am 11. September 2001, als 9/11 zu trauriger Berühmtheit gelangt, begingen in den USA Terroristen Anschläge mit gekaperten Flugzeugen. Tausende von Menschen fanden dabei den Tod. Auch heute noch sterben viele an den Folgen dieser Anschläge, zum Beispiel an Krebs, infolge der damals freigesetzten Giftstoffe.
Jetzt sollte man meinen, Stuttgart habe mit New York nicht allzu viel gemeinsam. Aber offenbar denken die Verantwortlichen, wenn sie ausgerechnet am 11. September eine Anti-Terrorübung in Stuttgart abhalten, seien sie genauso wichtig wie die Städte, die den wirklichen Terror erlebt haben. Vielleicht gilt es auch, uns zu zeigen, wie bedroht wir sind. Möglicherweise steht auch der Gedanke dahinter, der Bevölkerung einmal mehr klar zu machen, dass Polizei und Militär angesichts dauerhafter Bedrohungen noch mehr aufrüsten und demokratische Bürgerrechte weiter eingeschränkt werden müssen. Jedenfalls ist der Ort der Übung gut gewählt, denn schließlich strahlt der Mercedes-Stern darüber.
Dass Bahnhöfe und Anlagen des Schienenverkehrs Objekte für Terroranschläge sein können, haben wir tatsächlich in der Vergangenheit immer wieder erlebt. Das Bundeskriminalamt warnt ausdrücklich vor dieser Gefahr. Auch die Deutsche Bahn AG weist gerade in einem Prozess, der jetzt vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhängig ist, auf diese Gefahr hin. In diesem Prozess hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in erster Instanz festgestellt, dass die konkrete Gefahr eines Anschlages bei Stuttgart 21 besteht. In dem Verfahren, das von den Ingenieuren 22 betrieben wird, geht es um Einsichtnahme in die Unterlagen zur Evakuierung im Tiefbahnhof und in den Tunneln von S 21 - die mit der amtlichen Begründung verweigert wird, dies sei ein Sicherheitsrisiko. Der Landespolizeipräsident meint allen Ernstes, die Anschlagsgefahr bestehe, wenn die Ingenieure 22 Einsicht in die Unterlagen bekämen. Mit anderen Worten: Unsere Ingenieure sind verkappte Terroristen!
Generell ist gegen eine solche Übung nichts einzuwenden. Schließlich wollen wir alle vor möglichen Anschlägen geschützt werden und nicht nur unser Innenminister Strobl, der mit seiner gepanzerten Limousine Audi A8 durch die Gegend fährt und dabei pro Kilometer 376 Gramm CO² aus dem Auspuff bläst. Auch der Ort, unser Kopfbahnhof, ist nicht zu beanstanden. Nach unserer Überzeugung wird sich sehr deutlich zeigen, dass die Einsatz- und Rettungskräfte im Kopfbahnhof weit besser ihre Aufgaben erfüllen können, als im Tiefbahnhof und seinen Tunneln. Die Ingenieure 22 arbeiten seit langer Zeit und mit vielen Veröffentlichungen an diesem Thema.
Vollends klar wird mir der Sinn der Übung, wenn ich die Stellungnahme der Stuttgarter Naturschutzverbände zur künftigen Nutzung des Gleisvorfeldes des Kopfbahnhofs lese. Darin steht: "Die Landeshauptstadt Stuttgart hat 1997 ein Gutachten veröffentlicht, bei welchem der Bestand an Arten und Biotopen im Bereich des Stuttgarter Hauptbahnhofs untersucht wurde. Die Bestandsaufnahme erfolgte zwischen April und Oktober 1996. Wir weisen darauf hin, dass das Gutachten in diesem Jahr 22 Jahre alt wird. Die Datenaktualität überschreitet das Minimum von 5 Jahren bei Weitem."
Jetzt weiß ich nicht, ob auch Handgranaten zum Einsatz kommen. Jedenfalls könnte man mit dem entstehenden Lärm, Rauch und Feuer locker die Hasen und andere geschützte Tierarten in die Flucht schlagen, so dass weitere Bauverzögerungen vermieden werden. Ob gar als unbeabsichtigte Nebenfolge des Kampfeinsatzes ein heißer Abbruch der Reste des Kopfbahnhofs zu befürchten ist, vermag ich nicht zu beurteilen, rufe aber den Einsatzkräften von Polizei und Feuerwehr vorsorglich zu: Oben bleiben!
Bei dem Beitrag handelt es sich um eine gekürzte Rede von Reicherter, vorgetragen bei der vergangenen der Montagsdemo der S-21-Gegner. Bilder vom nächtlichen Kampfeinsatz folgen.
2 Kommentare verfügbar
Schwa be
am 13.09.2018