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Von Loeper lässt nicht locker

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Nicht zum ersten Mal haben Eisenhart von Loeper und Dieter Reicherter Strafanzeige gegen Bahn-Vorstände und -Aufsichtsräte erstattet. Diesmal hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen. Das Netz um das Stuttgart-21-Kartell wird enger.

"Ich glaube, Sie gehören auch zu den klugen Leuten, die wissen, dass, was geschrieben wird ... – erstens kenn' ich das nicht ..." – so antwortete der damalige Bahnchef Rüdiger Grube im Februar 2010, am Tag der Prellbockanhebung, also des symbolischen Baubeginns des Projekts Stuttgart 21, als er von einem Reporter des ZDF-Magazins "Frontal 21" auf ein Gutachten des Bundesrechnungshofs angesprochen wurde. Das Gutachten prognostizierte bereits 2008 Gesamtkosten von 5,3 Milliarden Euro. Die ungläubige Nachfrage des Reporters, "Sie kennen den Bericht des Bundesrechnungshofs nicht?", unterbrach er mit einem wiederholten "Lassen Sie mich mal ausreden?" Nach weiteren Anfragen, unter anderem beim damaligen Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, kam das Magazin zu dem Ergebnis: "Niemand nimmt den Bericht des Bundesrechnungshofs zur Kenntnis, auch der Verkehrsminister nicht" – damals Peter Ramsauer.

Nur drei Monate zuvor hatte Grube, der offenbar genau wusste, bis zu welcher Höhe er Kostensteigerungen vermitteln konnte, einen Betrag von 4,53 Milliarden Euro als "Sollbruchstelle" definiert. Doch als die Deutsche Bahn AG Ende 2012 einräumen musste, dass das Münchner Bahnberatungsbüro Vieregg-Rössler recht gehabt hatte, das bereits im September 2010 mehr als sechs Milliarden Euro veranschlagt hatte, brach gar nichts und vor allem die DB AG das Projekt nicht ab. Nur hatte sie nun ganz offiziell das Problem, dass die Kosten nicht gedeckt waren und der wirtschaftliche Nutzen des Projekts nicht länger gegeben war. Und doch spielte der Aufsichtsrat mit. Das war im März 2013.

Der Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper, zugleich Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, der ehemalige Strafrichter Dieter Reicherter und der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi erstatteten daraufhin Strafanzeige gegen Bahnchef Rüdiger Grube, Technikvorstand Volker Kefer und die Aufsichtsräte, wegen Verdachts auf Untreue und Betrug. Die Staatsanwaltschaft zögerte. Sie konnte den Unterlagen "keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten" entnehmen. Dies war alles andere als ein Freispruch; es bedeutete nur, dass keine konkreten Anhaltspunkte für eine "zumindest bedingt vorsätzliche" Pflichtverletzung vorlägen. Nichtwissen scheint manchmal doch vor Strafe zu schützen.

"Keine zureichenden Anhaltspunkte für Untreuevorsatz", heißt es 2013

Der Jurist von Loeper kritisiert, die Bundesregierung habe vor der Aufsichtsratssitzung im März 2013 massiv auf die Aufsichtsräte eingewirkt, was auf einer <link http: www.stuttgart21.strafvereitelung.de _blank external-link-new-window>Website des Aktionsbündnisses gegen S21 im Einzelnen dokumentiert ist. Einige Aufsichtsräte hatten kalte Füße bekommen, da sie nun wegen der nicht mehr gegebenen Wirtschaftlichkeit auch persönlich haftbar gemacht werden konnten. Doch auch eine Beschwerde von Loepers beim Oberstaatsanwalt ergab nur, dass "jedenfalls keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Untreuevorsatz" vorlägen, "der sich auch auf die Pflichtwidrigkeit und die Nachteilszufügung erstrecken muss."

Dagegen legte von Loeper erneut Beschwerde ein. Und beantragte Akteneinsicht beim Bundeskanzleramt, das schließlich im August 2015 mehrere Aktensätze herausrückte, freilich mit geschwärzten Passagen. Dennoch sah sich von Loeper durch die Unterlagen veranlasst, erneut Strafanzeige zu stellen. Und bei dem Bremer Rechtsprofessor Felix Herzog ein Gutachten in Auftrag zu geben. Herzog bestätigte, "dass die zurückweisenden Verfügungen der Staatsanwaltschaften rechtsmethodisch und anhand des diesseitigen Sachvortrags im Hinblick auf den zentralen Tatvorwurf der Untreue nicht haltbar sind und insoweit strafrechtliche Ermittlungen in jedem Falle geboten sind." Dieses Gutachten ließ von Loeper auch dem Berliner Justizsenator Thomas Heilmann zukommen.

Da dies erneut noch nicht einmal ein Vorermittlungsverfahren auslöste, zeigte er im November 2015 auch die Staatsanwälte an: wegen Strafvereitelung im Amt. Diesmal nahm der Staatsanwalt, der den Fall bearbeitete, immerhin Vorermittlungen auf. Er bestätigte also einen Anfangsverdacht – auch wenn er dann doch verneinte, dass die Kollegen vorsätzlich und damit strafbar gehandelt haben könnten.

2016 bestätigt der Bundesrechnungshof erneut Prognosen der Kritiker

Wenig später beauftragte das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 Vieregg-Rössler ein weiteres Mal mit einem Kostengutachten. Im Dezember 2016 stand das Ergebnis fest: Das Büro schätzt die Gesamtkosten auf bis zu 9,8 Milliarden Euro. Kurz zuvor hatte auch der Bundesrechnungshof in geheimen Berichten an den Haushaltsausschuss und das Bundesfinanzierungsgremium deutliche Kritik am Verhalten des Verkehrsministeriums geübt. Zwar ist keine Gesamtsumme genannt, da der Rechnungshof nur die Risiken für den Bundeshaushalt bewertet. Aber unter dem Strich bestätigt er die Prognosen von Vieregg-Rössler.

Das Ministerium als Zuwendungsgeber habe, so die Kritik des Bundesrechnungshofs, weder die Einhaltung des Kostenrahmens, noch die Frage, ob die Gesamtfinanzierung überhaupt noch gewährleistet sei, noch die Qualität der Bauausführung ausreichend kontrolliert. Den Hinweis, dass es sich um ein "eigenwirtschaftliches Projekt" der Deutschen Bahn handle, lassen die Rechnungsprüfer nicht gelten. Das Projekt unterliege der Gewährleistungs- und Finanzierungsverantwortung des Bundes. Durch seine Untätigkeit nehme das Ministerium hohe finanzielle Risiken in Kauf. Die Prüfer halten es für dringend geboten, dass das Verkehrsministerium seine Überwachungs- und Steuerungsmöglichkeiten konsequent ausschöpfe.

Dass das Ministerium weder vor noch nach der Finanzierungsvereinbarung vom April 2009 ausreichend kontrolliert habe, ob die Gesamtfinanzierung gesichert sei, bezeichnet der Rechnungshof indirekt als Rechtsverstoß: Das Wirtschaftlichkeitsprinzip und die daraus abgeleiteten Verwaltungsvorschriften verböten, finanziell nicht abgesicherte Projekte zu fördern. Zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen, dass die Beamten die laufenden Planänderungen, die eine Gesamtkostenvoraussage überhaupt nicht zulassen, für unzulässig halten und erwarten, ein solches Projekt müsse vor Baubeschluss bis zum Ende durchgeplant und -gerechnet sein. Ausdrücklich ist von Investitionsruinen die Rede und von einem Einfallstor für eine ungewünschte Finanzierung von Mehrkosten zulasten des Bahn-Bestandsnetzes oder des Bundeshaushalts.

Es sind nicht die neuen Zahlen, die von Loeper und Reicherter in diesem Jahr bewogen, erneut gegen Grube, Kefer, den Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht und schließlich auch gegen den neuen Bahnchef Richard Lutz sowie den früheren Kanzleramtschef und heutigen Bahnvorstand Ronald Pofalla Anzeige zu erstatten. Sondern vielmehr die vielen, auch vom Bundesrechnungshof aufgeführten erheblichen Risiken der Finanzierung: unter anderem durch das von der Bahn immer verharmlosend dargestellte Bohren im quellfähigen Anhydrit, die Umplanungen am Filderbahnhof, das schwebende Genehmigungsverfahren in Sachen Brandschutz oder die längst nicht mehr aufzuholende Bauverzögerung gegenüber dem offiziell immer noch aufrechterhaltenen Zeitplan. Lauter Dinge also, die Projektgegner seit Jahren kritisieren und die den beiden Juristen genügend Anhaltspunkte bieten, einen Straftatbestand zu vermuten.

Dass nun ermittelt wird, hat mehrere Gründe

Anders als früher hat die Staatsanwaltschaft diesmal nicht nur Vorermittlungen, sondern ein förmliches Ermittlungsverfahren aufgenommen. Das heißt noch nicht, dass es tatsächlich zur Anklage kommt. Aber der Spielraum wird enger. Erstens hält die Staatsanwaltschaft den Verdacht der Untreue offenbar nicht mehr von vornherein für unbegründet – oder sie sieht sich unter gestiegenem Druck genötigt, diesem Verdacht nachzugehen. Zweitens ist an die Stelle des CDU-Justizsenators Thomas Heilmann inzwischen der Grüne Dirk Behrendt getreten, der die Angelegenheit möglicherweise mit kritischeren Augen betrachtet. Und drittens steht eine Klage der Bundestags-Grünen vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) vor der Entscheidung, die sich zwar nicht alleine oder zuallererst auf das Projekt Stuttgart 21 bezieht, aber doch Auswirkungen auf die weitere juristische Aufarbeitung haben dürfte. Es geht um die Auskunftspflicht der Regierung und die Kontrollrechte des Parlaments.

Eisenhart von Loeper war im Mai bei der Verhandlung in Karlsruhe. Mehrere Richter, darunter der BVG-Präsident Andreas Voßkuhle, hätten deutlich gemacht, dass die Regierung es sich zu einfach mache, wenn sie dem Bundestag detaillierte Auskünfte zu den Finanzen der Deutschen Bahn mit dem Hinweis vorenthalte, diese sei ja ein eigenwirtschaftliches Unternehmen, dem durch die Veröffentlichung geschäftlicher Unterlagen Schaden entstehen könne. Vielmehr hätten sie auf die Verantwortung des Bundes für die Verkehrsdienstleistungen der Bahn und deren Finanzierung hingewiesen. Dabei stünde dem Parlament ein Kontrollrecht zu.

Bis zur Urteilsverkündung mag es noch dauern. Aber wenn das Gericht entscheiden sollte, dass die Regierung dem Bundestag mehr Unterlagen zur Verfügung stellen muss als bisher, wird es schwieriger, einfach "weiter so" und "alternativlos" zu sagen. Zumal der nächste Offenbarungseid droht: Der im März 2013 bewilligte Kostenrahmen wird am Ende ebenso wenig einzuhalten sein wie der noch immer behauptete Zeitplan.


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3 Kommentare verfügbar

  • Schwa be
    am 20.09.2017
    Antworten
    Vielen, vielen Dank Eisenhart von Loeper, Dieter Reicherter und allen anderen daran Beteiligten für Euern unermüdlichen und unerschütterlichen Einsatz. Bleibt bitte dran an diesem arroganten, egoistischen und massiv demokratie- und gesellschaftsschädigenden Klüngel (Establishment). Meine Hoffnung…
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