Das Gastgeschenk zum Symposium, ein blauer Pappkarton, macht auf den ersten Blick nicht viel her. Doch der Inhalt der "Awareness Box" ist für die Beschenkten umso wertvoller: Mit Datenträger und Broschüren warnt der Verfassungsschutz die Wirtschaft vor Spionage. Unter dem Titel "Wirtschaftsschutz: Herausforderung und Chance für Unternehmen" hatte das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gemeinsam mit der Verfassungsschutzbehörde des Bundes (BfV) ins Stuttgarter Neue Schloss geladen. Mit nicht ganz uneigennütziger Zielsetzung, wie die 180 Vertreter von Unternehmen und Verbänden bemerkten. Neben Bewusstseinsschärfung für Datenklau betrieben die hochkarätigen Referenten auch Imagewerbung für die im Gefolge der NSA-Abhöraffäre selbst in Verruf geratenen deutschen Sicherheitsbehörden.
Nötig ist beides, wie sich am Mittagsbüfett schnell zeigt. "Ich glaube nicht, dass die Amerikaner massenhaft Informationen abgreifen, nur um Terrorismus, Proliferation (Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Anm. der Red.) und Korruption zu verhindern", meint etwa der Mitarbeiter eines europäischen Rüstungskonzerns, von dem behauptet wird, er könne Ziel von US-Spionage unter Beihilfe des Bundesnachrichtendiensts (BND) geworden sein. Ihre Namen wollen sie nicht nennen, wegen der Sicherheit. Andere Teilnehmer nicken zustimmend. Die National Security Agency (NSA) wolle alles wissen, um alles damit zu machen, glauben sie. Eben auch Wirtschaftsspionage zugunsten amerikanischer Konzerne. Dass sich dabei die eigenen Schlapphüte jahrelang als willfährige Handlanger betätigten, macht Manager und IT-Spezialisten fassungslos.
Für die Veranstalter ist das transatlantische Teamwork der Schnüffeldienste, das erst kürzlich durch einen Beweisantrag von Linken und Grünen im Berliner NSA-Untersuchungsausschuss bekannt wurde, kaum der Rede wert. Die geheimen Selektoren, also etwa IP-Adressen oder Handynummern, die auf Wunsch der Amerikaner in die BND-Überwachungssysteme eingespeist wurden, finden weder in der Keynote des baden-württembergischen Innenministers Reinhold Gall (SPD) noch im Vortrag von BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen Erwähnung.
Die Übeltäter sitzen natürlich nicht im NSA-Hauptquartier
Glaubt man dem obersten Verfassungsschützer, sitzen die Übeltäter, die der hiesigen Wirtschaft Böses wollen, nicht im NSA-Hauptquartier in Fort Meade, Maryland. "Es ist ein Trugschluss, Gefahren einseitig dort zu verorten", nimmt Maaßen auch in Stuttgart die amerikanischen Freunde in Schutz. Vielmehr säßen die wissbegierigsten Spione in Russland und China. Von dort aus würden deutsche Firmen- und Behördennetze mit offiziellem Regierungsauftrag durch staatliche Organisationen gehackt, warnt Maaßen.
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Iannis70
am 30.07.2015