ÖsterreicherInnen halten sich im Normalfall für manierlich und bewandert, für gut erzogen und belesen. Über Jahrzehnte pflegte das Land den Ruf einer "Insel der Seligen", mit schönen Bergen, reinen Seen, der Welt besten SkifahrerInnen, mit hohen Renten und vergleichsweise niedrigen Mieten, einem funktionierenden Gesundheits- und einem leidlich egalitären Schulsystem. Ein Weltkind in der Mitten, dank der nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossenen "immerwährenden Neutralität" gerade außenpolitisch zwischen den Machtblöcken in Ost und West.
Mehrfach legte Österreich große Hilfsbereitschaft an den Tag, zum Beispiel als 1957 aus Ungarn in wenigen Tagen nach dem von der Sowjetunion niedergeschlagenen Aufstand Zehntausende ins Land drängten, nach dem "Prager Frühling" von 1968 und vom Balkan-Krieg bis zu den bewegenden Septembertagen 2015. HelferInnen standen an den Bahnhöfen Schlange, nicht nur mit Lebens- und anderen Hilfsmitteln, sondern – tourismusgeübt – schnell gut organisiert und ausgerüstet mit Schildern, die den Flüchtlingen die Sprachkompetenzen des fremden Gegenübers anzeigten.
Am 15. Oktober 2017 wählten exakt 1 316 442 oder fast 26 Prozent der WählerInnen dennoch FPÖ. Ein Konglomerat aus Ewiggestrigen, Fremdenfeinden, Burschen- und MädelschaftlerInnen, bekennenden Ultras, latenten Antisemiten und Leuten, die wie die Anhänger der deutschen AfD oft geradezu haarsträubende Ressentiments gegen "die Politiker" und "die Medien" pflegen. Im Europaparlament sitzt die Freiheitliche Partei Österreich in einer Fraktion mit Marine Le Pens Front National, mit Rechtsextremen aus Belgien und Holland sowie schrägen Mussolini-Verehrern von der italienischen Lega Nord. Und das soll so bleiben.
Der Rechtsruck entlockt vielen Österreichern höchstens ein Hüsteln
Durch Deutschland ginge beim Einzug einer solchen Partei in die Regierung ein Aufschrei, in Österreich ist vielerorts nicht einmal Hüsteln zu hören, nach dem Motto: "Die sollen auch mal eine Chance bekommen". Dabei macht sich die "neue Volkspartei" an der Seite der "Freiheitlichen" zum Handlanger von Manövern, die gerade alle Bekenntnisse zu Europa als vordergründig erscheinen lassen – nicht nur in der Flüchtlingspolitik oder im Umgang mit EU-Ausländern. Bestes Beispiel für den Populismus der neuen sogenannten Mitte-rechts-Regierung in Wien ist der Widerruf des generellen Rauchverbots, das ab Mai 2018 in Lokalen gelten sollte.
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Heinz Greiner
am 06.01.2018