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Strobl und sein Pferd

Flori, der Prächtige

Strobl und sein Pferd: Flori, der Prächtige
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 Fotos: Jens Volle 

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Acht Jahre lang hieß der braune Wallach Toni. Dann kam Innenminister Thomas Strobl (CDU) und benannte ihn um. Polizeipferdetaufe in Ostfildern-Kemnat, großes Kino im Sommerloch. Kontext war dabei.

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Wunderschön hier. Sommer, Sonne, Wiesen, Weiden, Bäume. Auf der Koppel rechts ist ein Kätzchen auf der Jagd, linkerhand trotten zwei Pferde an den Zaun und suchen die hingestreckte Hand nach vielleicht ja unsichtbaren Keksen ab. Weiche Nüstern, ein feuchtes Schnauben. Aww, süß. "Die sind ganz schön krass, wenn die im Einsatz sind", sagt der Fotograf. Er habe schon erlebt, wie Polizisten vom Gaul aus Demonstrierende mit Reitgerten verprügeln. Scheiß Realität.

Ein Audi kommt vorgefahren, Thomas Strobl (CDU, "Es darf keine rechtsfreien Räume geben") mit Gefolge, darunter mehrere mies gelaunte Securities, die aussehen, als hätten sie ihr ganzes Leben noch nie gelacht. Der SWR ist da, die "Stuttgarter Zeitung", Regio-TV. Innenminister Thomas Strobl ist "total gerne" bei diesem Termin, "ein besonderer Moment". Und auch Anton Saile, Präsident des Polizeipräsidiums Einsatz, fühlt sich prima, es sei eine Ehre – "selbstverständlich auch fürs Pferd" –, dass es nun so einen "gewichtigen Taufpaten" gebe. Es ist Donnerstag, Polizeipferdetaufe bei der Reiterstaffel in Ostfildern-Kemnat.

Von oben zielt es sich besser

Getauft wird das polnische schwere Warmblut Toni, traditionell von einem Politiker. Letztes Mal war Justizministerin Marion Gentges dran und nannte ihr Taufpferd Harro, dieses Mal der Innenminister – erstmalig nach zehn Jahren im Amt, sagt er. Er habe sich einige Gedanken gemacht über den neuen Namen fürs Pferd, dann kam er auf Flori, weil sein menschliches Patenkind Flora heiße, das könne er sich gut merken. Der Anfangsbuchstabe markiert das Geburtsjahr und soll auf die Einsatzerfahrung des Tiers hinweisen. 2017 ist F. So ein Polizeipferd, sagt Strobl ("Der Rechtsstaat zeigt Zähne"), sei ein "wichtiges Einsatzmittel in bestimmten Lagen", der höhere Sitz verschaffe Autorität und besseren Überblick. Auf dem Infozettel von der Presseabteilung steht, "die verstärkte Durchsetzungsfähigkeit" zu Pferd "komme gerade bei Versammlungen besonders gut zur Geltung". Polizeipferde seien Sympathieträger. Tatsächlich lässt sich von oben auch besser zielen, wenn man jemanden mit Pfefferspray besprühen will.

Die baden-württembergische Reiterstaffel mit Sitz in Stuttgart (20 Pferde) und Mannheim (12 Pferde) ist umstritten. Zu teuer, zu ineffizient, meint der Rechnungshof. Strobl dagegen garantiert an Ort und Stelle, die Staffel an beiden Standorten mindestens zu erhalten, "das kann ich mal für meine Person ganz sicher sagen", wenn nicht sogar auszuweiten. Die Landtagswahl im kommenden März bleibt da abzuwarten.

In der Reithalle stehen sich Pferd und Politiker dann Auge in Auge gegenüber. Noch-Toni, ein sympathischer und hübscher Brauner mit Flausch-Mähne und kleiner Wampe, guckt treu, während der Minister das Tier anschnalzt. Schnalz, schnalz. Acht Jahre alt ist Toni, seit zwei Jahren in Ausbildung, nur noch acht Schnapsgläser und der Wallach wird also Flori heißen, "der Prächtige", sagt einer der Beamten feierlich.

"Hallo mein Lieber, man sagte mir, dass du der Toni bist", sagt Strobl. Dann hebt eine Polizistin jeden Huf einzeln hoch und Strobl kippt ein Schnapsglas Wasser drüber und eins hinter die eigene Binde (auch Wasser). Das Bein vorne rechts steht für Standfestigkeit, das vorne links für Disziplin, hinten rechts für Ruhe, hinten links für Stärke. Glas hoch, zum Wohl! "Von nun an sollst du Flori heißen und deine Stärke bei uns im Einsatz beweisen." Autsch. 

Flori knuspert, Strobl freut sich

Hiernach gibt's noch eine Vorführung mit Pyrotechnik und brennenden Hindernissen, die den Warmblüter aber kalt lassen. Dann geht's ab in den Stall, wo Strobl das neue Namensschild an die Box hängt und das Tier noch füttert. Flori knuspert, Strobl freut sich, nur in der Box gegenüber regt sich Widerstand. Schimmel Levis packt der Futterneid, er wiehert und stampft empört – und bekommt dann selbstverständlich auch was ab.

Warum haben Sie sich denn nicht selbst mal auf Ihr Patenpferd gesetzt, Herr Strobl? Ne, sagt der, zu viel Publikum. "Wissen Sie, da gibt's welche, die warten nur drauf, dass was Blödes passiert, das lass' ich lieber." Kluger Gedanke.

Draußen hat sich das Kätzle mittlerweile eine Weide weiter vorgearbeitet. Es schleicht geduckt durchs Gras, stupst einen vorwitzigen Grashalm mit der Pfote und rollt sich zu einem Donut zusammen. Mittagspause in Ostfildern-Kemnat.

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