Mehr noch als durch die berühmtesten Architekten und die besten Stadtplanerinnen dürfte das Erscheinungsbild der Bundesrepublik durchs Auto geprägt worden sein: Der Straßenbau hat die Natur zuasphaltiert und gerade in stark bevölkerten Städten Menschen Raum genommen. Der Blick zurück in die 1920er-Jahre zeigt, wie die stetig mehr werdenden Autos Fahrradfahrer:innen dazu gedrängt hat, vermehrt auf Gehwege auszuweichen. Die geteilte Straßennutzung mit dem Auto barg seit jeher das einseitige Risiko, dass ein Zusammenstoß so gut wie immer übler für das Zweirad ausgeht.
Einer, der zeitlebens auf die verschiedenen Gefahren der Fahrradnutzung hingewiesen hat, war der Aktivist Andreas Mandalka. Der Pforzheimer bloggte unter dem Pseudonym Natenom und machte zum Beispiel auf die Landstraße L574 aufmerksam, die Pforzheim und Neuhausen im Enzkreis verbindet. Mandalka, der auf dieser Strecke nach eigenen Angaben bis zu 1.000 Kilometer pro Monat mit dem Rad zurücklegte, erlebte hier viele knappe Überholmanöver. Im Juli 2020 wollte er es genauer wissen und hat nachgemessen. Ergebnis: Die Straße war gar nicht überall 3,75 Meter breit, wie in den Planungsunterlagen zur L574 ausgewiesen, sondern stellenweise nur 3,20.
Einen entsprechenden Hinweis mit Rechenbeispielen, bei welchen Autobreiten der Mindestabstand beim Überholen eines Rads gar nicht mehr richtig eingehalten werden kann, hatte Mandalka auch an die Bußgeldstelle Pforzheim verschickt. Regelmäßig setzte er Polizei und Staatsanwaltschaft über Regelverstöße im Straßenverkehr in Kenntnis. Das Aufklärungsinteresse war dabei meist überschaubar. Einmal äußerte sich die Stadt Pforzheim in einer öffentlichen Stellungnahme zu den Aktivitäten "eines einzelnen Bloggers", dessen über 120 Anzeigen von der Bußgeldstelle mit "erheblichem Zeitaufwand" ausgewertet würden. Dabei wies die Stadt in aller Entschiedenheit "Missverständnisse in den Sozialen Netzwerken" zurück, wonach sich die Bußgeldstelle nicht an die geltende Straßenverkehrsordnung halten würde. Es sei völlig legitim, Verfahren einzustellen, "wenn sich herausstellt, dass der Ermittlungsaufwand (z.B. zur Fahrerermittlung oder zur Beweisführung) in keinem Verhältnis zum Verstoß" stehe.
Übersehen trotz Warnweste
"Natenom war nicht unumstritten", schrieb der SWR in einem Nachruf. "Manche Autofahrer fühlten sich von ihm provoziert." Was der Aktivist getan hatte, um Zorn auf sich zu ziehen? "Regelmäßig war er mit einem auffälligen Abstandhalter unterwegs, was ihm auch Kritik und Anfeindungen einbrachte." Manchmal sollte zum Beispiel eine seitwärts gerichtete Schwimmnudel signalisieren, wie viel Abstand nach Rechtslage Minimum wäre. Oftmals war er zudem nicht nur mit Helm, sondern auch in einer neonfarbenen Warnweste unterwegs.
So auch am 30. Januar 2024, als Mandalka auf der L754 von einem 77-Jährigen mit circa 90 Stundenkilometern überfahren wurde. Er verstarb noch am Unfallort im Alter von 43 Jahren. Der Autofahrer gab später an, den Aktivisten übersehen zu haben. In der Konsequenz bedeutete das eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen wegen fahrlässiger Tötung sowie zwei Monate Führerscheinentzug.
10 Kommentare verfügbar
Micha K.
vor 2 Tagennehmen Sie doch einfach mal zur Kentniss, dass es nicht möglich ist, die Gesetze der Physik ausser Kraft zu setzen. Diesen ist völlig gleich ob das Ereignis Absicht ist oder ein Unfall! Diesen sind auch all die Spekulationen um "sichtbar" oder "nicht sichtbar" völlig gleich.…