Früher gab es nur Sperrmüll auf der Straße. Und nix zu verschenken. Rechtlich gesehen sind die sperrigen Gegenstände ja gar nicht besitzlos, überlege ich. Wenn ein Haushalt einen Abholtermin bei einem Entsorgungsunternehmen vereinbart, wechseln die Besitzrechte. Jurist:innen sagen dazu "Eigentumsübereignung", denke ich, stolz über meinen virtuosen Umgang mit Fachbegriffen. Entwendet jemand Sperrmüll, ist das demnach Diebstahl. Krass, denke ich, und erinnere mich an die Raubzüge während meiner Studienzeit in Berlin. Alle hatten damals Stücke vom Sperrmüll in ihrer Bude. Ich zum Beispiel hatte ein 1950er-Jahre-Küchenbüffet in der Küche stehen, das ich mir mit Schrubben, ein bisschen weißer Farbe und ein paar neuen kobaltblauen Griffen wieder in einen Topzustand gebracht hatte. Ein allseits bewunderter Blickfang. Außerdem hatte ich meinen Schreibtisch auf der Straße ergattert, an dem ich dann auch meine Examensarbeit geschrieben habe – auf einem Atari 1040, abgespeichert auf mindestens acht Floppy-Disketten à 1 MB. Den Atari hatte ich aber nicht auf dem Sperrmüll gefunden, sondern ihn einer Kommilitonin für 500 D-Mark abgekauft. Ganz schön teuer, denke ich, aber auch heute muss man dafür auf dem Vintage-Markt noch bis zu 350 Euro löhnen. Weil der Atari 1040 halt ein Computerklassiker ist.
Schwedenhaus-Schrott, im Keller vorgerottet
Mein Atari ist dann aber leider samt Schreibtisch und Küchenbüffet über den Jordan gegangen, weil der über mir wohnende Mieter während meiner Urlaubsabwesenheit selbst nicht da war. Dieser Mieter war ein etwa dreißigjähriger queerer Möchtegern-Modedesigner, der in Kunstrasenjacken herumlief und, befeuert von Hyperaktivität und Wahnsinn, stets alle, die es nicht hören wollten, von seiner enormen Kreativität überzeugen wollte. Dieser Mieter also hatte im Rahmen eines von ihm selbst so empfundenen Genialitätsanfalls – aber leider ohne das nötige technische und handwerkliche Know-how – eine Blumenkastenbewässerungsanlage in seiner Wohnung installiert, die er nunmehr wegen seiner Abwesenheit nicht mehr im Blick hatte. Weswegen dann mein Kohleheizungs-Erdgeschoss-Hinterhaus-Zuhause einige Tage lang von oben bis in den letzten Winkel besprengt und unbewohnbar gemacht wurde. Nach Rückkehr aus dem Urlaub konnte ich den Großteil meines Hausrats dann entsorgen, habe ich Sperrmüll machen müssen, mit all den durchweichten, in der Sommerhitze mittlerweile angegammelten Möbeln und anderem, erinnere ich mich. Mein Schicksal kam so ans Licht der Öffentlichkeit, als großer Container, in dem all mein wohnliches Innenleben zu einem Haufen Schrott zusammengeschnurrt war. Gottlob hatte ich da meine Magisterarbeit schon abgegeben. Glück muss Mensch haben, denke ich.
Könnte man sich auch heute noch seine Student:innenbude mit Sperrmüll einrichten? Diese Tatsache bezweifelnd, erblicke ich auf der linken Straßenseite einen Haufen abzuholenden Schwedenhaus-Schrott, offenbar schon im Keller vorgerottet. Zerdeppert, weil man die einmal zusammengenagelten Möbel nicht mehr auseinanderschrauben kann. War der Sperrmüll früher besser? Es erscheint mir so, seit ich in Stuttgart lebe. Vielleicht, weil das Klischee von den Schwaben respektive Schwäbinnen, die nichts wegwerfen können, stimmt. Und wenn sie es dann doch tun, dann Gnade uns der pietistische Gott!
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