Jeden Frühling dasselbe! Mein Weltverbesserungsgen erwacht aus dem Winterschlaf. Ich stehe auf meinem geliebten Balkon, der hoch über Stuttgart ragt, und denke, während ich in die ersten warmen Sonnenstrahlen blinzele: Es ist wieder Zeit für den Aufbau meines kleinen Sommerreiches. "Wider das Insektensterben!", möchte ich in die Welt schreien. "L'État, c'est moi!", denke ich, Ludwig XIV, den Sonnenkönig, im Kopf zitierend, um die Bedeutung meines Tuns für mich noch einmal zu unterstreichen, und mache mich an die Arbeit. Stück für Stück, Tag für Tag, jedenfalls emsig, schleppe ich gefühlte Tonnen von Erde hoch in den dritten Stock, setze die diversen Sämlinge vom Fensterbrett endlich in Kästen und Töpfe unter freiem Himmel, erhöhe den Umsatz der Blumenläden der Umgebung, bis es steht: mein insektenfreundliches Viereinhalbquadratmeterreich.
Im Frühling sieht es hier noch geordnet und übersichtlich aus. Die ersten Wildbienenwinzlinge – Mauerbienen (vorne schwarz, hinten rostrot) – finden den Weg in mein Balkonien, nuckeln an Krokussen und Armenischen Hyazinthen, die ich übergangsweise gepflanzt habe und die schon bald verblüht sein werden. Die Sommergewächse müssen ja erst noch sprießen und gedeihen. Es ist noch recht ruhig in meinem Reich, schließlich muss es sich ja erst herumsprechen, dass es dort etwas zu holen gibt. Und in den dritten Stock hochzufliegen, muss sich schon lohnen. Vollstes Verständnis, liebe Nektar- und Pollenkonsument:innen. Dann aber, Summsalabrumm, ab dem späten Mai und dann von Woche zu Woche immer mehr, geht es richtig ab. Kaum mehr zwei Klappstühle finden im Juli noch Platz im Gewucher aus Mädchenaugen, Topfzucchini oder Leinkraut, das sich hier übrigens von selbst ausgesät hat. Es muss vor ein paar Jahren mit dem Wind gekommen sein.
Schwebfliegen lassen sich schlecht fotografieren
Jeden Morgen nach dem Gießen meines luftigen Minigartens stehe ich dort, Kaffee schlürfend, für eine halbe Stunde und versenke mich in den Anblick meines kleinen Reiches, beobachte, wie es sich entwickelt und wo ich eingreifen muss. Ich könnte den ganzen Tag dort stehen und schauen. Es macht mich glücklich.
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Chilimanns Frau
am 07.10.2023