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Ausstellung James Balog

Feuer und Eis

Ausstellung James Balog: Feuer und Eis
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Seine Fotos dokumentieren das Sterben der Gletscher, große Waldbrände und wie das eine mit dem anderen zusammenhängt. Nun sind Bilder von James Balog im Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen zu sehen.

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Mit einer mächtigen Eiskante schiebt sich der Triftgletscher im Osten des Schweizer Kantons Bern ins Tal. Das Foto von James Balog stammt aus dem Jahr 2006. Auf dem Bild daneben, 14 Jahre später vom selben Standpunkt aus aufgenommen, ist kaum mehr als eine Geröllhalde übrig. Ähnlich verhält es sich beim Steingletscher in den Urner Alpen, beim Columbia Glacier in Alaska, beim Bridge Glacier in British Columbia, Kanada und beim Sólheimajökull auf Island: Wo Eis war, ist heute nur noch ein See oder kahles Land.

Wer Balogs Gegenüberstellungen im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) Tübingen sieht, kann den Klimawandel nicht mehr anzweifeln. Seine Aufnahmen vom Sólheimajökull hat der Fotograf 2015 auf der Pariser Klimakonferenz gezeigt. Um 50 Meter zieht sich der Gletscher pro Jahr zurück. In Island hat Balog, im Auftrag des Magazins "National Geographic", 2007 begonnen, Kameras fest zu installieren, die automatisch jede Stunde ein Foto machen. Heute sind es 43 Kameras an verschiedenen Standorten der Welt.

Den Klimawandel sichtbar machen: Das war auch für das DAI, das dreimal im Jahr nordamerikanische Fotograf:innen ausstellt, der Grund, Balogs Aufnahmen zu zeigen, erklärt Sophia Kummler, die für die Bibliothek und das Kulturprogramm zuständig ist. Das Institut bietet kostenlose Führungen an und arbeitet mit Schulklassen, dem Bildungszentrum für den Bundesfreiwilligendienst in Bodelshausen und den Fridays for Future zusammen. Den Gletschern stehen Aufnahmen von Waldbränden gegenüber: Feuer und Eis.

"The End of Nature as We Know It", lautet der Titel der Ausstellung: Das bezieht sich auf die Theorie, dass wir uns in einer neuen geologischen Epoche, dem Anthropozän befinden, in der es den Gegensatz zwischen einer menschlichen Sphäre und der Natur nicht mehr gibt. Klimawandel, Insektensterben, Landverbrauch: Keine Region der Erde bleibt verschont.

Balog hat als Natur- und Tierfotograf angefangen. Ein Schlüsselerlebnis war, so erzählt er in einem Film, als er einmal einem Nashorn aus nächster Nähe in die Augen blickte. Da wurde ihm klar: Wildtiere leben nicht in einer unberührten Natur, sondern in einer Welt, die immer mehr und überall vom Menschen bestimmt wird. Um das Gletschersterben zu dokumentieren, hat der studierte Geograf mit der Universität von Colorado das Projekt Extreme Ice Survey ins Leben gerufen und später das Earth Vision Institute gegründet.

Die Gegenüberstellungen in der Ausstellung sprechen eine klare Sprache. Andere beeindruckende Fotos bedürfen eines Kommentars, um ihre Botschaft zu enthüllen. "Wo der große Gletscher stirbt", lautet der Titel eines Fotos, das einen Eisberg zeigt, der wie ein Schiffsbug im Wasser schwimmt. Der Bildtext verrät, dass es sich um ein abgebrochenes Stück des isländischen Breiðamerkurjökull handelt – zu sehen auf unserem Titelfoto oben.

Zwischen den Waldbränden und dem Gletschersterben besteht ein Zusammenhang. Auf einem Foto des Birthday Canyons, ein tief ins Grönlandeis eingeschnittenes Tal, ist schwarzes Zeug zu sehen. "Die schwarzen Ablagerungen sind Kryokonit", heißt es dazu, Emissionen von Kohlekraftwerken und Waldbränden. Zwar verursachen Waldbrände nur einen kleinen Teil der weltweiten CO2-Emissionen. Doch die extreme Hitzeentwicklung und der Kohlenstoff, also der Rauch und Ruß, die in die Atmosphäre gelangen und sich auf weit entfernten Gletschern ablagern, führen dazu, dass sich die negativen Effekte aufs Klima um ein Mehrfaches verstärken.

Nirgendwo wüteten im vergangenen Jahr so schlimme Waldbrände wie in den Nordwest-Territorien Kanadas. In der Nähe von Fort Providence wurde dort 2015 ein International Crown Fire Modelling Experiment (ICFME) durchgeführt, das helfen soll, die Vorgänge besser zu verstehen. Einige eindrucksvolle Aufnahmen Balogs sind dort entstanden.

Andere stammen vom Soberanes Fire an der kalifornischen Küste im Oktober 2016. Balog zeigt auch zwei Feuerwehrleute. Mit Schutzanzügen, Helm und Brille sehen sie direkt in die Kamera. Ein junger Mensch hat die Schutzbrille hochgezogen. Die Anspannung steht tief ins braun verschmierte Gesicht geschrieben.


Die Ausstellung "The End of Nature as We Know It" im Deutsch-Amerikanischen Institut, Karlstraße 3, Tübingen, läuft bis zum 25. April. Geöffnet ist dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr und samstags von 11 bis 14 Uhr.

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