Das Citizen Kane Kollektiv hat mit Ida Liliom nun eine neue Version erarbeitet. Zwischen Rave und Theater: Dafür könnte es kaum einen spektakuläreren Ort geben als die seit drei Jahren leer stehende Großraum-Disko Penthouse im Industriegebiet Feuerbach. Aus dem großen Oval an der Stirnseite fällt der Blick auf die sechsspurige B27: links weiße Scheinwerfer, rechts rote Rücklichter, hinten der Pragsattel, wo der Hochbunker mit seinen Leuchtreklamen neuerdings vom Porsche Tower in den Hintergrund gedrängt wird.
Mix aus Rave und Theater
Am Freitag war Premiere, weitere Aufführungen folgen an den nächsten Tagen. Vor der Generalprobe am Vortag, zu der bereits viele junge Leute eingeladen waren, bot sich Gelegenheit zu einem Gespräch mit Ida Liliom, Regisseur Christian Müller, Vange und Paluna: in einer schummrigen Sitzecke des zentralen Raums der Diskothek, der mit seinen Arkaden an ein maurisches Bad erinnert.
Vange und Paluna heißen mit bürgerlichem Namen Evangelos Golemi und Erika Palnau. Sie sind das trabanten.kollektiv und für die Musik und das Bühnenbild verantwortlich. Links hängt an Ketten eine Schaukel in der Größe eines französischen Betts von der Decke herab. Rechts steht ein würfelförmiges Haus: das traute Heim von Julie und Liliom – wenn er denn mal zuhause wäre. Die Szenen im Inneren des Hauses werden von einer Kamera aufgenommen und auf die Außenhaut projiziert.
"Man kann Techno Raves auch mit einem Opernbesuch vergleichen", formuliert Vange und fragt: "Was bedeutet Kultur?" Um gleich selbst zu antworten: "Alles, was der Mensch bewegt und erschaffen hat." Er erzählt, wie sie bei Raves im Wald darauf achten, den Gästen den Weg gut zu beschreiben, und ihnen Wasser anbieten, "damit sie nicht zu saufen brauchen". Auf privaten Gartenpartys haben sie angefangen. Inzwischen legen sie auch in Clubs wie dem White Noise oder Fridas Pier auf.
Mit dem Mix aus Rave und Theater spricht das Citizen Kane Kollektiv ein junges Publikum an, das vielleicht noch nie im Theater war. Vange und Paluna sind in der Stadtbahn mit zwei 15- und 16-Jährigen ins Gespräch gekommen. "Die waren voll begeistert", erzählt Vange. Aber auch viele ältere Besucher seien neugierig, interveniert Müller. Für sie verhält es sich genau umgekehrt: Sie wollen sehen, was ein Techno Rave ist. Als "kommunikatives Herzstück" zwischen den Aufführungen gab es von Montag bis heute das Festival "In:between": für den "generationenübergreifenden Austausch", mit einem DJ-Workshop für FLINTA*, Krav-Maga-Selbstverteidigung und einer Podiumsdiskussion.
Liliom als Beispiel für toxische Männlichkeit
Was aber sind FLINTA*? Ausbuchstabiert Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nicht-Binäre, Trans- und Agender-Personen. Das Sternchen will sagen, dass auch alle anderen angesprochen sind, die sich nicht zu den cis-heterosexuellen Männern zählen. "Cis" wiederum ist der Gegensatz zu "trans" und steht damit für Menschen, die sich mit ihrem eingetragenen Geschlecht identifizieren. "Es kommt nicht auf die Buchstaben an", beschwichtigt Ida Liliom, "sondern darauf, was damit gemeint ist." Nämlich: "Alle Personen, die im patriarchalen System, das wir immer noch haben, Schutz brauchen."
Einlass ist ab 20 Uhr, doch das Theater beginnt erst eine Stunde später. Vange heizt ein mit Techno-Rhythmen. Menschen kommen und gehen, fallen sich um den Hals, tanzen ein wenig. Auch die Schauspieler.innen sind dabei, zu erkennen am kleinen Mikrofon vor dem Mund. Doch sie sagen noch nichts. An den Toiletten steht FLINTA* und All Gender. Zwischen den maurischen Säulen ist eine Ausstellung aufgebaut. Zwei junge Frauen sitzen im Bällebad.
1 Kommentar verfügbar
Stefanie Schöbel
am 24.03.2023FLINTA oder queer sind nur noch inhaltsleere Phrasen denn alle dürfen jetzt mitmachen.
"Queer: "Das bedeutet so viel wie befreit von Normen von Geschlechtlichkeit und Sexualität und Identität"," - nein bedeutet…