In der Kunsthalle Gent ist derzeit eine Ausstellung mit dem Titel "Crisis of Masculinity" zu sehen. Über diese "Krise" wird seit einigen Jahren intensiv in der Medienöffentlichkeit, in den Sozialwissenschaften und am Stammtisch diskutiert. Die Künstler Thomas Min und Egon van Herreweghe greifen in der Ausstellung das kontroverse Thema auf, indem sie einen Nachbau des Zauns um den legendären "Muscle Beach" der Bodybuilder von Venice, Los Angeles, errichten. Die in unschuldigem Babyölblau gestrichene Einfriedung markiert ein Innen und ein Außen, scheint den Raum der Normalsterblichen von dem der Übermenschen, zumindest was hypertrophierte Muskulatur betrifft, zu trennen. Doch in Gent ist der Innenbereich leer. So leer wie, schenkt man populären Diagnosen Glauben, das Innere von heutigen Männern, die nicht mehr wissen, was ihre Rolle in der Welt ist.
Für manche Zeitgenossen ist es nur ein kleiner Schritt von der "Crisis of Masculinity" zur sogenannten "Toxic Masculinity": der aggressiven, potentiell gewaltsamen Verteidigung schwindender patriarchaler Privilegien durch Beschwörung dominanter, reaktionärer Männerbilder sowie durch Arbeit an entsprechenden Männerkörpern. Zumindest letztere sind aber nicht so leicht ideologisch zu fassen: Tatsächlich handelt es sich beim ursprünglichen Muscle Beach um eine Einrichtung, die in den 1930er Jahren, zur Zeit des New Deal, von der Works Progress Administration unter – für US-amerikanische Begriffe – linken Vorzeichen gegründet wurde. Bis heute findet an solchen Orten eine multikulturelle und multisoziale Durchmischung statt, wie sie kaum je eine Universität mit eigens eingerichteter Diversity-Abteilung erreicht. Der muskulöse Körper ist hier also, nur vordergründig paradoxerweise, ein egalitärer Körper.
Dazu passt auch, dass die schweizerische Bodybuilderin Julia Föry ihre Muskulatur als Ausdruck ihrer Feminität bezeichnet. Und Bodybuilding-Ikone Arnold Schwarzenegger profiliert sich heute als Kritiker von Donald Trump. Kurz, es ist alles nicht so einfach. Ein "Körperpanzer" oder ein betont 'männliches' Körperbild ist nicht per se ein Indiz für eine "toxisch-maskuline" Gesinnung.
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