Eigentlich hatte das Citizen Kane Kollektiv am 25. April sein neues Stück "Stuttgart Wrackstadt" auf die Bühne bringen wollen. "Stuttgarts Stern erlischt", heißt es in der Ankündigung. "Wir schauen dem Dinosaurier Automobilindustrie beim Sterben zu. Es geht schnell. Vor der Stadt, die sich an der Spitze der wirtschaftlichen Entwicklung sieht, tut sich ein Abgrund auf – und in diesem Abgrund zeigt sich eine düstere Zukunft. Stuttgart wandelt sich zu einer Stadt des Stillstands und der Angst."
Nun sind Stillstand und Angst aus anderen Gründen eingekehrt. Die Premiere hat nicht stattgefunden, auch die Automobilindustrie hat pausiert, und die Theatergruppe blickt noch einmal zurück auf ihr letztes Programm: "Die Stille der Familie". Im Festsaal der Gaststätte Friedenau im Stuttgarter Osten hat das Kollektiv an fünf Abenden von Dezember bis Februar eine Art Familienfeier gegeben für Menschen, die keine Familie haben.
Das Ideal: intakte Mehrsamkeit
In den Bauvorschriften, in der Werbung, im Film, im Traum vom glücklichen Heim: In vielen Bereichen gilt noch immer das Ideal der intakten Familie, während in Wirklichkeit laut Statistischem Bundesamt 42 Prozent der Haushalte aus nur einer, weitere 34 Prozent nur aus zwei Personen bestehen. Es gibt aber außer Single-Haushalten und Paaren noch weitere Personen, die nicht in einer Familie aufgehoben sind. Um die ging es in "Die Stille der Familie": eine Neunzigjährige im Pflegeheim, Frau Hild; einen Geflüchteten, Mahdi, in der Stiftung Geißstraße; einen Wohnsitzlosen, Patrick, in einem Haus der Evangelischen Gesellschaft; Katrin, die in einer Wohngemeinschaft lebt; und den Hund Nele im Tierheim. Sie wurden in Videos vorgestellt, während das Publikum im Saal der Friedenau im Stil einer Familienfeier empfangen und mit Live-Musik unterhalten wurde.
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