Es sind bunte, oft knallig bunte Plakate, die seit Montag in Stuttgart und Umgebung aufgehängt werden. Solche mit Slogans, mit Illustrationen oder Fotomontagen, mit Botschaften und Motiven, die einfach fröhlich und freundlich sind, die Mut machen, die die Phantasie anregen, die einen schmunzeln oder lachen lassen, auch gerne mal mit etwas schrägem Humor daherkommen. Wut und Hass findet sich auf ihnen nicht – sie sind, könnte man sagen, radikal empathisch. Schließlich gehen sie ja auch zurück auf die BRE, die "Bewegung für Radikale Empathie". Die was?
Über ihre Geschichte verbreitet die Stuttgarter Künstler-Initiative gerne farbenfrohe Mythen, die bis in die 1970er-Jahre reichen und eine Beteiligung der BRE an manch historischen Augenblicken wie dem Fall der Berliner Mauer postulieren (Kontext ging dem schon einmal nach). Als einigermaßen gesichert gelten nur Aktionen der jüngeren Vergangenheit; etwa die Ausstellung "Die Banalität des Guten" Ende 2016 im Schauspiel Stuttgart/Nord oder die Aktion #nichtmeinealternative gegen die AfD am 22. September 2017, kurz vor der letzten Bundestagswahl. Und daran knüpft im Grunde auch die neue Aktion an, die "Public Poster Galerie".
"Die Idee gärte eigentlich schon länger", sagt der Designer Markus Niessner, "seitdem diese Partei in den Bundestag eingezogen ist". Schon beim Shutdown im März habe er gedacht: "Fuck! Das werden die Rechten versuchen zu nutzen." Und daher sei die jetzige Situation ein guter Anlass, mit Hilfe der Plakat-Aktion "die Stimmung hochzuhalten und auf die Chance hinzuweisen, die in dieser Situation liegt. Und um den Tausenden, die sich auf dem Wasen treffen, etwas total Schönes, Empathisches entgegenzuhalten." Niessner trat zusammen mit Melanie Müller, ebenfalls Designerin, an die beiden BRE-Gründerinnen Anja Haas und Dodo Brewing mit der Idee heran, die Bewegung zu reaktivieren. Die beiden waren sofort dabei.
Ein Aufruf an KollegInnen ging raus, und innerhalb weniger Tage kamen 36 Entwürfe von 30 DesignerInnen zusammen. Die werden nun nach und nach immer mehr brachliegende Klebeflächen in und um Stuttgart zieren. Dass die "Public Poster Galerie" so schnell umgesetzt werden konnte, liegt auch daran, dass die Initiatoren offene Türen einzurennen schienen. Das Kulturamt der Stadt Stuttgart war erstaunlich schnell als Unterstützer mit an Bord, ebenso die Druckerei Offizin Scheufele und sogar die Wirtschaftsförderung der Region.
Bleibt die ewige Frage, was denn Kunst, speziell diese, bewirken kann. "Was wir können, ist, den öffentlichen Raum fröhlicher, ein bisschen besser und bunter zu gestalten. Das ist vielleicht nur ein kleiner Beitrag, aber wir wünschen uns, dass der eine oder die andere entspannter durch die Krise kommt", sagt Dodo Brewing.
Alle Motive der "Public Poster Galerie" sind auf der Homepage der "Bewegung für Radikale Empathie" zu finden. Wer sich eines der DIN-A1-Plakate ins Zimmer hängen will, kann es für einen Solidaritätsbeitrag bestellen.
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