"Das ist mein Großvater", sagt Richard Guttenberger wie aus der Pistole geschossen und zeigt auf den stehenden Violinisten, der ihm tatsächlich sehr ähnlich sieht. Das Foto aus einem Zeitschriftenartikel zeigt das Quartett, das 1906 beim Musikwettbewerb König Wilhelms II. von Württemberg den ersten Preis, die Goldene Rose gewann (Auf Wunsch der Familie zeigen wir das Foto nicht, d. Red.). Dasselbe Bild war auch einmal in einem Katalog des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg abgedruckt, dort bezeichnet als "Streichquartett der Familie Guttenberger".
In der Wohnung von Peter Reinhardt in Stuttgart entspinnt sich sofort eine lebhafte Diskussion zwischen ihm und den Nachfahren des abgebildeten Musikers, Richard Guttenberger und seinen Söhnen Mano und Knebo. Der Außenstehende kann allerdings nicht folgen, da das Gespräch auf Romanes stattfindet. "Wir tun das, damit Sie nicht mitkriegen, was wir sagen", flachst Reinhardt. Mano Guttenberger klärt auf: "Wenn wir unter uns reden, verfallen wir automatisch ins Romanes."
Die Namen stimmen nicht. Zwar ist der stehende Violinist Ahnherr der Guttenbergers, aber er heißt, mit Sinto-Namen, Wangelo Winter. Doch die anderen gehören nicht zur Familie. Darum gab es einmal Streit. Das Bild, das sich in Privatbesitz befindet, ist seither nicht mehr verfügbar. Allerdings hat Knebo Guttenberger ein anderes Foto auf seinem Handy: sieben Musiker in Livree, darunter sein Urgroßvater am Kontrabass. Hier sind Zweifel ausgeschlossen: Das Bild stammt aus Familienbesitz. Das Ensemble aus Markgröningen war landesweit bekannt.
Sinti haben fast immer zwei Namen
Reinhardt und die Guttenbergers haben sich bereit erklärt, etwas zur Lage der heute in Stuttgart lebenden Sinti zu sagen. Am 8. April ist der Welttag der Sinti und Roma. Zum zweiten Mal gibt es dazu in Stuttgart ein Programm, zum Teil online, aber auch eine Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus am Karlsplatz mit Reden und Musik.
Bei Nelly Eichhorn vom Stuttgarter Theater am Olgaeck laufen die Fäden zusammen. Warum engagiert sie sich für Sinti und Roma? Vor zwei Jahren, kurz vor Weihnachten, gab sie einmal einer bettelnden Frau am Straßenrand Geld. Doch dann fragte sie sich: Wie ist es möglich, dass in einem so reichen Land wie Deutschland Menschen betteln müssen?
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Waldemar Grytz
am 31.03.2021