"'Nazis essen heimlich Döner' find ich am geilsten", sagt Friederike und hält die Stick-Vorlagen in der Hand – auf Papier gedruckte Peace-Zeichen, Friedenstauben, antifaschistische Slogans wie den Döner-Spruch. "Genau so sieht's nämlich aus", sagt Jelena. "Nazis essen echt heimlich Döner." "Sollte man eigentlich mal beim <link https: www.politicalbeauty.de _blank external-link-new-window>Zentrum für politische Schönheit einspeisen als Idee für eine Fotoausstellung." "Bei wem?" "Na, bei denen, die dem Höcke – "Bernd! Haha!" – kürzlich das Denkmal vor die Tür gepflanzt haben." "Ach so! Ja, geile Idee! Nazis fotografieren, wie sie aus dem Dönerladen kommen, und dann 'ne Ausstellung machen."
Oh, was für ein herrliches Event. Fünf Frauen, fast alle Mitte 30, und zwei Töchter, sieben und elf, sitzen um einen knallbunten Haufen Stickgarn herum im Stuttgarter Forum 3, quatschen, erzählen und "sticken gegen rechts". Titel des Workshops: "Der rote Faden". Es ist, wie es klingt, nur nicht bieder: Politischer Anspruch trifft gute Laune und bunte Ideen. Und: Sticken, da sind sich alle einig, hat was Meditatives. "Eine Freundin von mir hat schon gefragt, ob wir da nur rote Sterne machen", kichert Jelena. Großer Spaß, alle lachen. Von wegen nur Sterne.
Anna stickt ein "FCK NZS" mit Blumenbordüre drunter, Steph ein "Kein Bock auf Nazis" in Weiß auf ein blaues Shirt, Friederike arbeitet an einem geschwungenen "Kein Mensch ist illegal"-Schriftzug und Jelena, Nachname Lom, die Chefin des Workshops, wuselt von einer zur anderen und erklärt, wie's geht. "Ich krieg das mit dem Einfädeln nicht hin", sagt Anna, eine Nadel in der einen Hand, eine feine Drahtschlaufe in der anderen. "Ich komm!", ruft Jelena und spannt Friederike noch eben ein Stück T-Shirt in einen Stickrahmen. "Die Vorlage am besten in Schreibschrift vorzeichnen, ist einfacher als Druckschrift ... Kuck mal, Anna, Einfädelhilfe durchs Nadelöhr, Faden rein, durchziehen, fertig."
Jelena ist Modedesignerin, unterrichtet an der Deutschen Pop, einer privaten Akademie für Musik- und Medienberufe in Stuttgart. Sticken hat sie sich selbst beigebracht, das entspannt, und es kommt was Tolles bei raus, sagt sie. Außerdem möchte sie alles ausprobieren, was mit Handarbeiten zu tun hat. "Kannst du auch klöppeln?", fragt Steph. "Ne, das kann ich nicht." "Uhh, Klöppeln ist echt krass." Jedenfalls: Die Idee zum "Roten Faden"-Workshop kam Jelena und Anna, als sie sich über das Besticken von feministischen T-Shirts unterhalten haben. "Wir dachten, wenn Sticken für Feminismus geht, geht auch Sticken gegen rechts."
Andrea stickt ein O, das aussieht wie Hitler
"Mein K sieht eher aus wie ein H", sagt Friederike. "Hein Mensch ist illegal …" "Ich find mein C ätzend", sagt Steph und seufzt. Nadel rein, unten durch, Nadel raus, diesmal in Hellblau auf dunkelblauem Grund. "Kennt ihr den YouTube-Kanal, wo Identitäre kochen?" "Was?" "Ja, echt, die kochen da vegan." "Ne, oder?" "Doch, mit Sturmmaske, damit man sie nicht erkennt." "Erst den Umriss mit Vorwärts-rückwärts-Stich, dann füllen. Du musst kucken, dass du deine Abstände einhältst", sagt Jelena. "Voll gut, kuck mal, bei der Andrea, so total gleichmäßig!" Andrea stickt ein "NO" – das O sieht aus wie ein stilisierter Hitler. Apropos: "Kennt ihr die Kittler-Seite bei Facebook? Katzen, die wie Hitler aussehen? Mit halbem schwarzem Fleck auf der Stirn und Bärtchen auf der Schnauze, oh mein Gott!"
Neues Thema: "Oje, der Seehofer", sagt Anna und rollt die Augen. "Hashtag nicht mein Minister." "Oder Hashtag nicht meine Heimat at Seehofer", kommt von Steph. "Ich hab schon überlegt", sagt Friederike, "ob ich 'ne Demo gegen den organisieren soll." Sie stickt grade das S von "ist". Ob wohl mal jemand runtergehen will ins Forum-3-Café und 'nen Kuchen holt? Oder Sekt? Sekt! Au ja! Es geht dann aber doch niemand. Keine Zeit.
"Wer will eine Blume lernen?", fragt Jelena. Alle natürlich "Man beginnt immer außen. Und dann zentral einstechen in die Mitte, wie ein Stern dann Linien nach außen …" "Aha", sagt Steph. "Dann nach rechts, dann wenn ich oben bin, wieder nach links." "Alter Schwede", sagt Anna. "Überforderung", sagt Steph und rauft sich die Haare, während sich in Elenas Stickrahmen eine herrliche rote Blume bildet. "So, und den Blumenstiel könnt ihr auch mit dem Schlingenstich machen, einmal einstechen, dann durchziehen, einstechen, durchziehen …"
"Das sollte man landesweit organisieren", sagt Steph, "einen Stick-Zirkel gegen rechts." "Und für jedes Blümchen hört dann ein Nazi auf, Nazi zu sein", sagt Anna. Und alle seufzen.
1 Kommentar verfügbar
Andromeda Müller
am 24.03.2018Aber vielleicht wäre es sinnvoller Ursachen von Politikverdrossenheit und Abwendung von der sogenannten "Politik der Mitte" , ein Euphemismus für den entfesselten globalen Markt , anzuprangern . Ohne Zensur.
Dazu muß man aber diesen 3. schon lange andauernden Extremismus…