Mit den steigenden Rüstungsausgaben verändern sich auch Begriffe. "Resilienz" etwa steht längst nicht mehr nur für gesellschaftliche Stabilität, sondern zunehmend für die Fähigkeit des Staates, sich gegen Bedrohungen von innen und außen zu behaupten. Gemeint sind damit unter anderem einsatzbereite Streitkräfte, belastbare Infrastrukturen und eine schnell reagierende Rüstungsindustrie – zentrale Elemente der aktuellen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Forschung. Das Bundesverteidigungsministerium betont in seinem Jahresbericht, Rüstungsgüter und Hochtechnologie würden in der öffentlichen Wahrnehmung oft als Produkte einzelner Hersteller gelten – tatsächlich beruhten sie jedoch häufig auf Erkenntnissen aus staatlich geförderter wehrwissenschaftlicher Forschung.
Schon jetzt arbeiten einige baden-württembergische Forschungseinrichtungen im Auftrag von Rüstungsunternehmen oder dem Staat an der Forschung und Entwicklung für den Rüstungssektor, heißt es vom baden-württembergischen Landeswissenschaftsministerium auf Anfrage von Kontext. In den Augen der Landesregierung sind Universitäten ein wichtiger Partner der Industrie, um Baden-Württemberg zu einem führenden Rüstungsstandort zu machen. "Als starker und vielseitig aufgestellter Forschungs- und Wissenschaftsstandort haben wir beste Voraussetzungen dafür, die Zukunft bei Dual-Use-Technologien in Europa mitzugestalten", so das Ministerium. Ein zentraler Begriff aus der Rüstungsforschung, der inzwischen häufig auftaucht: Dual Use bezeichnet Güter, Technologien oder Wissen, die für zivile wie auch für militärische Zwecke nutzbar sind. Dies können Chemikalien, Software oder Maschinen sein, die sowohl in der Industrie als auch in der Waffenherstellung eingesetzt werden können.
Der doppelte Nutzen
Die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Forschung biete laut Wissenschaftsministerium viele Chancen. Demnach plane etwa Rheinmetall, zwei Automobilwerke auf Rüstungsproduktion umzustellen. Auch der Maschinenbaukonzern Trumpf mit Hauptsitz in Ditzingen wolle sich unter anderem mit Lasertechnik zur Drohnenabwehr stärker in der Rüstungstechnik engagieren. Schon jetzt forschten zudem "etliche Hochschulen" zu Dual-Use-Technologien. Genaueres gibt das Wissenschaftsministerium allerdings nicht preis: "Direkte Beauftragungen im rein militärischen Bereich unterliegen immer der Vertraulichkeit."
Noch 2011 forderten die Grünen: "Die Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen des Landes sollen ausschließlich friedliche Zwecke verfolgen. Um dies deutlich zu machen, befürworten wir die Einführung von Zivilklauseln in den Satzungen aller solcher Einrichtungen." Damals kämpften auch Studierende an verschiedenen Orten noch dafür, dass ihre Hochschulen sich mit einer Zivilklausel verpflichten, keine militärische Forschung zu betreiben. So beschloss die Universität Freiburg 2014, eine Zivilklausel in ihre Grundordnung aufzunehmen, um ausschließlich zu friedlichen Zwecken zu forschen. Doch nicht alle Einrichtungen verfolgten ein einheitliches Vorgehen: 2015 ging etwa die Universität Konstanz den umgekehrten Weg und hob ihre 1991 eingeführte Zivilklausel auf. Stattdessen gelten dort jetzt "Hinweise und Regelungen zum verantwortungsvollen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken", teilt die Universität mit.
Auch im Bericht des Bundesverteidigungsministeriums findet sich die Empfehlung, "angesichts globaler Bedrohungslagen die strikte Trennung von militärischer und ziviler Forschung in Deutschland zu überdenken". Die Bundeswehr könne von der "Stärkung der Kooperationen zwischen ziviler und militärischer Forschung" stark profitieren. Ähnlich äußerte sich im Juli 2023 der designierte Kanzler Friedrich Merz (CDU) im Gespräch mit dem "Spiegel": "Sogenannte Zivilklauseln, die militärische Forschung an den Hochschulen verbieten, sollten aufgehoben werden. Das ist nicht mehr zeitgemäß."
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Arno Huth
vor 2 Wochen