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Das KIT und China

Mit Nutzen für das Militär

Das KIT und China: Mit Nutzen für das Militär
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Für die Aufrüstung seines Militärs nutzt die chinesische Staatsführung wissenschaftliche Kooperationen. Auch mit der Karlsruher Universität. Laut einer internationalen Recherche agieren vor allem deutsche Wissenschaftler:innen dabei allzu naiv.

Wissenschaft lebt vom Austausch und der Kooperation. Für die technologische, wirtschaftliche und politische Entwicklung legt Forschung die Grundlage. Doch in falschen Händen können wissenschaftliche Erkenntnisse zur Gefahr werden. Die europaweite Recherche unter dem Titel "China Science Investigation" zeigte jüngst, wie stark europäische Hochschulen und Forschende mit chinesischen Militäreinrichtungen zusammenarbeiten, darunter auch Kooperationen, die von der chinesischen Staatsführung zur Aufrüstung und zum Ausbau des militärischen Sicherheits- und Überwachungsapparats genutzt werden können.

Recherche: China Science Investigation

In der Grundlagenforschung kooperieren Hochschulen und Wissenschaftler:innen regelmäßig mit Einrichtungen, die dem chinesischen Militär unterstehen. Die chinesische Staatsführung nutzt das Wissen aus der gemeinsamen Forschung für die strategische Aufrüstung des Militärs. Dies ist das Ergebnis der gemeinsamen Recherche "China Science Investigation" von Follow the Money, Correctiv, Süddeutsche Zeitung, Deutsche Welle, Deutschlandfunk und weiteren europäischen Medien.

Etwa 3.000 wissenschaftliche Arbeiten zwischen europäischen und chinesischen Forschenden seien demnach in den vergangenen 20 Jahren entstanden, die in enger Verbindung zum chinesischen Militär stehen. Die deutschen Hochschulen wären dabei ohne klare Vorschriften "zwischen Unwissenheit und Naivität gefangen", schreibt das Recherchezentrum Correctiv. Chinas Staatspräsident Xi Jinping dagegen verfolgt eine klare Strategie: 2049 soll die Volksrepublik die führende Weltmacht in allen Bereichen werden. Dazu wurden die Investitionen und die Kooperation in der Wissenschaft deutlich ausgebaut. Gleichzeitig verstärkte die Kommunistische Partei ihre Kontrolle über die chinesischen Universitäten. Einige von ihnen unterstehen direkt der Zentralen Militärkommission des Landes.  (fk)

Intensiv setzt China dabei auf "Dual Use", also den doppelten Nutzen der Technologie, sowohl für zivile als auch militärische Zwecke. Das hauptsächlich von der australischen Regierung finanzierte "Australian Strategic Policy Institute (ASPI)" listet insgesamt 116 chinesische Hochschulen auf, bei denen ein hohes oder sehr hohes Risiko der Nähe zum chinesischen Militär bestehe.

Wie sehr die Grenzen zwischen militärischer und ziviler Forschung in China verschwimmen, zeigen die Universitäten der sogenannten "Seven Sons of National Defense". Diese Gruppe aus sieben Universitäten untersteht zwar dem Bildungsministerium, ist laut westlichen Think Tanks aber tief mit der cinesischen Militär- und Rüstungsindustrie verwoben.

Unter den Kooperationspartnern einiger der "Seven Sons"-Universitäten findet sich auch die Karlsruher Universität. Mehr als 200 Forschungsveröffentlichungen von Wissenschaftler:innen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) vor allem mit der Beihang University listet das Wissenschaftsportal lens.org auf.

KIT: indirekte Kooperation mit chinesischem Militär

Darüber hinaus arbeitet das KIT mit weiteren als riskant eingestuften chinesischen Hochschulen zusammen. So entstanden in den letzten Jahren 48 Veröffentlichungen zwischen Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Huazhong University of Science and Technology. Die Universität ist eine zivile Einrichtung, wird jedoch von der chinesischen Wehrtechnik-Behörde beaufsichtigt. Mit solchen von ASPI als riskant eingestuften Hochschulen sind nach Kontext-Recherchen Dutzende weitere Veröffentlichungen des KIT entstanden.

Karlsruher Institut für Technologie

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstand 2007 aus der Fusion der Universität Karlsruhe mit dem Forschungszentrum Karlsruhe. Neben einer Universität mit Lehre und Forschung ist das KIT auch ein nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft. Sie gehörte zu den ersten drei deutschen Eliteuniversitäten im Rahmen der Exzellenzinitiative und wurde zuletzt 2019 als Exzellenzuniversität ausgezeichnet.  (fk)

Doch Forschende des KIT arbeiten auch mit Hochschulen zusammen, die direkt der Zentralen Militärkommission Chinas unterstehen. Darunter findet sich die National University of Defense Technology (NUDT), die wichtigste Universität des chinesischen Militärs. Neun gemeinsame Forschungsarbeiten wurden in den letzten Jahren veröffentlichtet. Die NUDT gilt in China als führend in den Bereichen der Informatik und Kommunikationstechnik sowie der Luft- und Raumfahrt.

In den besonders sensiblen Feldern IT, Luft- und Raumfahrttechnik, Agrartechnologie sowie Künstliche Intelligenz führte das KIT nach eigenen Angaben in den vergangenen zehn Jahren darüber hinaus vier größere Forschungsprojekte mit chinesischen Universitäten durch. Eines davon beschäftigte sich mit der Entwicklung einer Technologie zur Überwachung und Aggregation von Wissen. Die Technik kann auch bei der Medienbeobachtung und -überwachung eingesetzt werden. Partner ist dabei die Tsinghua University, die ASPI mit einem sehr hohen Risiko einer militärischen Nähe einordnet. Die Rüstungsforschung am KIT - unter anderem zu künstlicher Intelligenz, Raketen und Navigation - laufe teils unter Geheimhaltung.

Aus deutschen Laboren: Technologie zur Überwachung

Das KIT sieht bei all diesen Kooperationen mit China kein Problem. Es verweist darauf, dass die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern wie China auch vor dem Hintergrund von "Dual Use" von der eigenen Rechtsabteilung geprüft werde. "Potenziell kritische oder uneindeutig unkritische Forschungsthemen werden zusätzlich von der Ethikkommission des KIT-Senats behandelt und im Falle von Bedenken abgelehnt", heißt es in der Stellungnahme weiter. Wissenschaftler:innen würden zudem in universitätsweiten Projekten für die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern sensibilisiert.

Das sieht die US-amerikanische China-Expertin Didi Kirsten Tatlow anders: "Es ist 100 Prozent der Fall, dass man in Deutschland viel zu naiv vorgeht, was die wissenschaftliche Kooperation mit China angeht", wird sie im Deutschlandfunk zitiert.

Über die China-Kooperation hinaus gibt es grundsätzliche Kritik an der Militärforschung des KIT. Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen fordert wie andere zivilgesellschaftliche Initiativen eine Zivilklausel, die militärische Forschung grundsätzlich verbietet. 74 Universitäten bundesweit haben eine solche Klausel bereits umgesetzt. Die Karlsruher Universität lehnt das ab.

"Die Zusammenarbeit mit Behörden und Industrie ist beim KIT so etwas wie das Geschäftsmodell. Dadurch wollte man groß werden und in der internationalen Liga mitspielen", sagt Marischka. Die Zusammenarbeit mit der Rüstungsindustrie oder der Bundeswehr gehöre dazu. Marischka verweist dabei besonders auf das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB), das eng mit dem KIT kooperiere und von einem Professor der Universität geleitet werde. "Die Rüstungsforschung des IOSB und das KIT sind bis zur Unkenntlichkeit verwoben", sagt Marischka. Auch mit dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) kooperiert das KIT in der Grundlagenforschung. Das ICT forscht unter anderem zu Verteidigung, Luft- und Raumfahrt oder Chemie im zivilen und militärischen Bereich.

Dual Use als Strategie für In- und Ausland

"Das Fraunhofer IOSB ist engstens mit der Rüstungsindustrie, dem Bundesverteidigungsministerium und der NATO vernetzt", sagt Marischka. Das Institut erhalte einen beträchtlichen Teil seiner Grundfinanzierung und seiner Drittmittel aus dem Verteidigungshaushalt und führe Forschungsprojekte mit klar militärischer Ausrichtung durch. So werde beispielsweise intensiv an einer Schwarmtechnologie für Drohnen gearbeitet. Durch die Nutzung künstlicher Intelligenz können die unbemannten Luftfahrzeuge ohne menschliches Zutun interagieren, neue Ziele identifizieren und sich gegenseitig ersetzen.

Bei der Neuordnung der Fraunhofer-Institute sei "Dual Use" als "gezielte Strategie" eingesetzt worden, sagt Marischka. Zuvor arbeitete das Fraunhofer IOSB als "reines Militärforschungsinstitut". 2007 forderte das Bundesverteidigungsministerium (damals unter Franz-Josef Jung, CDU) von seinen wesentlich aus dem Wehretat finanzierten Fraunhofer-Instituten, "verstärkt die Möglichkeiten von 'Dual Use' zu nutzen und die Ergebnisse ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auch für zivile Anwendungen fruchtbar zu machen". So sollten die Rüstungsforschung gestärkt und mehr Drittmittel eingeworben werden.

Fehlendes Wissen und Sensibilität

Der mögliche Abfluss von Know-How an das chinesische Militär ist für Marischka eine logische Folge. "Der eigentliche Skandal ist, dass zivile Wissenschaft mit dem Militär zusammenarbeitet. Das ist beim KIT Programm." Sein IMI-Kollege Andreas Seifert warnt vor einer "pauschalen Verteufelung und Stigmatisierung" bestimmter Kooperationspartner. Er erinnert, dass China in allen Wirtschaftsverträgen der letzten 40 Jahre einen Technologietransfer zur Bedingung gemacht habe. "Dass chinesische Eigenbau-Transportflugzeuge für das Militär fliegen, liegt eher an Airbus als an einer Kooperation mit einer deutschen Uni. Dass chinesische Züge schneller fahren als ein deutscher ICE, liegt eher an Siemens und der deutschen Bundesbahn als an einem Doktoranden bei Fraunhofer." Die ungehinderte Forschung und der Zugang zu Geld sei in China zwar eng mit der Bereitschaft zu militärischer Forschung verbunden. Das Problem liege aber vor allem in Deutschland, sagt Seifert. Hier fehle es an Wissen, Sensibilität und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem chinesischen System.

Das bestätigten auch die Rechercheergebnisse von China Science Investigation. Es sind nicht nur Prestige, Geld und bessere Karrierechancen, die Wissenschaftler:innen zu Kooperationen mit chinesischen Universitäten bewegen. Die Zusammenarbeit mit gut ausgebildeten Forscher:innen aus China verspricht wissenschaftliche Fortschritte und Durchbrüche in der eigenen Arbeit. Die möglicherweise problematische Wissensweitergabe geschehe dabei meist unbedacht und unbewusst. Besonders der Dual Use-Einsatz gilt als eine Grauzone: schwer zu entdecken, schwer nachzuvollziehen und schwer zu verhindern.

Die Politik will keine Standards

Das Fraunhofer IOSB verweist derweil auf "klare Regeln und Verfahren" bei internationalen Kooperationen. Bei jeder Zusammenarbeit auf wissenschaftlicher Ebene mit Partnern aus China folge das Institut "einem fundierten geschäftspolitischen Prüfprozess", sagt Ulrich Pontes vom IOSB. Entscheidend seien dabei im Einzelfall die Technologieentwicklung, der wissenschaftliche oder volkswirtschaftliche Mehrwert und mögliche Impulse für Fraunhofer. Auf der "Gefahr des unkontrollierten Know-how-Abflusses" liege ein besonderes Augenmerk. "In diesem Sinne ist uns auch die Frage des 'Dual Use' bewusst", sagt Pontes.

Keinen Bedarf zur Einführung von Standards in der wissenschaftlichen Kooperation sieht man derweil in der Landesregierung. Die baden-württembergischen Hochschulen agierten grundsätzlich autonom. "Es liegt in der Verantwortung der Hochschulen, Partnerschaften im eigenen Interesse gewissenhaft auszuwählen und einzugehen", erklärt das Wissenschaftsministerium von Theresia Bauer, Grüne, auf Anfrage. Man nehme die aktuelle Berichterstattung aber zum Anlass, erneut auf die Beratungsleistungen und existierenden Handreichungen zu Wissenschaftskooperationen mit China hinzuweisen. Die Verantwortung für die Forschung liegt damit weiter in den Händen der einzelnen Wissenschaftler:innen. Die chinesische Staatsführung verfolgt derweil die klare Strategie, auch mit Hilfe der Forschung der Volksrepublik den Weg zur führenden Weltmacht zu bahnen.

Marischka wird in seiner Kritik auch vor dem Hintergrund aktueller Kriege grundsätzlicher. "Militärische Forschung blockiert immer andere Fortschritte der Wissenschaft. Noch schlimmer: Mit den Fortschritten in der Rüstungsforschung kommen wir KI-gestützten Kriegen immer näher und geben die zivile Konfliktbearbeitung aus der Hand." Die großen Budgets des Verteidigungsministeriums seien daher jenseits der Rüstungsforschung besser aufgehoben, ist Marischka überzeugt. "Wir sollten in die Forschung investieren, um Kriege zu verhindern. Aber derzeit fließt in die zivile Konfliktlösung viel weniger Geld als in die High-Tech-Aufrüstung."


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