Hilfreich für alle, die die Flügel zusammenhalten wollen, sind solche schwarz-grünen Annäherungen nicht. Es sei "nicht ratsam", warnt Tamara Stoll vorsichtig, "Debatten zu führen, ob Scholz oder Merz der bessere Partner mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine wäre". In früheren Zeiten wäre sicher eine Debatte entbrannt. Am kommenden Wochenende treffen sich die baden-württembergischen Grünen in Reutlingen zur Landesdelegiertenkonferenz, um ihre Bundestagskandidat:innen zu nominieren, Cem Özdemir als neuen Hoffnungsträger zu feiern und den einen oder anderen inhaltlichen Antrag zu diskutieren. Wirklich Brisantes ist noch nicht darunter. Unter der Überschrift "Mehr Pragmatismus wagen" wird unter anderem nicht die Abschaffung, sondern eine Reform der Schuldenbremse verlangt.
Zufriedenheit wieder gewachsen
Die Jugend hat sogar auf eigene Initiativen verzichtet. Das Hauptaugenmerk liege darauf, bekennen die Vorsitzenden, dass mit Sarah Heim die eigene GJ-Spitzenkandidatin auf einen aussichtsreichen Listenplatz gewählt wird. Darüber hinaus ist erst einmal Zufriedenheit mit dem auf der BDK Geschafften angesagt. "Was für ein Wochenende", heißt es im Newsletter des neuen GJ-Bundesvorstands, "wir haben uns laut und entschlossen für Menschlichkeit, echten Klimaschutz und eine gerechte Umverteilung stark gemacht, und das mit Erfolg." Asylrechtsverschärfungen seien "jetzt ein klares No-Go in der Beschlusslage", Mindestlöhne für Minderjährige beschlossen und im Verkehrsbereich günstige bundesweite Tickets für junge Menschen. Außerdem solle es keinen weiteren Autobahnausbau geben – "und das sind nur einige Beispiele für die Errungenschaften, die wir an diesem Wochenende erreicht haben", so das vollmundige Resümee des neuen Vorstands.
Der alte Bundesvorstand des Nachwuchses hätte sich damit wohl kaum zufriedengegeben, aber deshalb ist er ja auch im September geschlossen aus der Partei ausgetreten. Begründung: Es brauche wieder eine linke Kraft, die Menschen begeistern und Hoffnung machen könne, die noch nie das Gefühl hatten, dass für sie Politik ebenfalls gemacht werde. "Aber diese Kraft wird die grüne Partei unserer Einschätzung nach nicht mehr werden."
Bühler und Stoll sehen die baden-württembergische Parteijugend als "kritischen linken Verband mit dem Ziel, linke Lösungen durchzusetzen". Aber eben in und nicht außerhalb der Mutterpartei. Eine Zahl spricht für diesen Weg: Allein im November sind 190 neue Mitglieder eingetreten, während es nach den Wahlniederlagen im September keine zwei Dutzend Austritte gegeben habe. "Wir müssen ein Programm erarbeiten, das junge Menschen mitnimmt", sagt Bühler mit Blick auf die beiden anstehenden Wahlen. Gerade im Klimaschutz zeigten sich die Generationen-Unterschiede, findet der 24-Jährige, der in Tübingen Politik und Rhetorik studiert: "Wenn Menschen sich entscheiden müssen zwischen sofortigen Veränderungen, die das tägliche Brot teurer machen, und zukünftigen Risiken, dann gehen zu viele das Hochwasserrisiko ein in der Hoffnung, es komme ohnehin erst in zehn Jahren." Junge Menschen ticken da eben anders als viele ältere – und das Bundesverfassungsgericht hat in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass genau darauf die Politik heute ausgerichtet sein müsse.
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Werner
am 06.12.2024