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Baden-Württemberg-Haus in Dubai

Politik ist, wenn man trotzdem feiert

Baden-Württemberg-Haus in Dubai: Politik ist, wenn man trotzdem feiert
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Baden-Württemberg hätte gerne sein Geld zurück – aber daraus wird nichts: Nach einem dubiosen Deal mit Dubai bleiben die Steuerzahler:innen auf 17,5 Millionen Euro für einen Pavillon sitzen, den eigentlich private Unternehmen sponsern sollten.

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Wie üblich, wenn's ums große Geld geht, waren die Verhandlungen beinhart. Das gibt Ministerpräsident Winfried Kretschmann über die aktuellen Haushaltsberatungen der grün-schwarzen Landesregierung preis, die keine leichten waren, weil die Lage keine leichte ist: "In finanziell so schwierigen Zeiten", sagt der Regierungschef, sei es keine Selbstverständlichkeit, noch "nennenswerte Mittel für die Zukunftsfähigkeit des Landes investieren" zu können.

Wo jeder Euro zählt, um dem deutschen Südwesten ein Morgen zu ermöglichen, ist es besonders ärgerlich, wenn schlampiges Regierungshandeln ungeplante Mehrausgaben verursacht – in diesem Fall im zweistelligen Millionenbereich.

Dabei wurden Ministerpräsident Kretschmann und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) mit "überschaubaren Kosten für das Land" geködert, von denen in einem Schreiben die Rede war, das Daniel Sander und Wilhelm Bauer im April 2017 verschickt haben. Sander, früher CDU-Stadtrat in Freiburg, war damals Geschäftsführer der Ingenieurkammer Baden-Württemberg, Bauer Technologie-Beauftragter der Landesregierung und Leiter des Fraunhofer-Instituts. Beide wollten die Gelegenheit ergreifen, Spitzenqualität aus dem Schwabenländle vor einem Weltpublikum zu präsentieren: mit einem eigenen Pavillon auf der Expo 2020 in Dubai, wo sonst Nationen statt Bundesländern ausstellen. Auch Deutschland war vertreten, ebenfalls steuerfinanziert, allerdings mit der Maßgabe, dass sich hier keine Unternehmen präsentieren durften. Die Idee hinter dem Baden-Württemberg-Haus war eine gegenteilige: Bezahlen sollten die Konzerne, um sich zu präsentieren, ein Projekt "von der Wirtschaft für die Wirtschaft", wie seine Befürworter:innen immer wieder betonten. Und die waren gut vernetzt.

Bei der Ingenieurkammer Baden-Württemberg arbeitete zum damaligen Zeitpunkt nicht nur Geschäftsführer Sander. Für die Pressearbeit war Pablo Dahl verantwortlich, Stiefsohn von Susanne Eisenmann, die 2021 als Spitzenkandidatin der CDU Baden-Württemberg in den Landtagswahlkampf zog und zuvor als Kultusministerin was zu sagen hatte; außerdem ist er Sohn von Christoph Dahl, der als Regierungssprecher von Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) den Nutzen von Netzwerken studieren konnte. In väterlicher Fürsorge verschickte Dahl Senior im Juli 2019 eine Mail an seine Ehefrau Eisenmann, die ein kleines Briefing enthielt und eine Liste von Argumenten für den Pavillon in Dubai. Im Juli 2020 heißt es in einem Vorstandsprotokoll der Ingenieurkammer, nach Angaben von Geschäftsführer Sander habe "CDU-Spitzenkandidatin Eisenmann das Wirtschaftsministerium aufgefordert, dass das Dubai Haus zwingend zu finanzieren sei".

Plötzlich nutzt der Bevollmächtigte seine Befugnisse

Bei der Landesregierung sorgte die Pavillon-Idee zwar nicht für erkennbare Begeisterungsstürme, aber eben auch nicht für Widerstand. Dort bildete man sich lange Zeit ein, den Bewerbungsprozess nur protokollarisch zu begleiten, aber im Gegensatz zur Ingenieurkammer, dem Fraunhofer-Institut und der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) nicht als offizieller Projektpartner aufzutreten. Eine folgenschwere Fehleinschätzung.

Denn die Juristin Stefanie Hinz – damals Abteilungsleiterin im Wirtschaftsministerium, inzwischen zur Landespolizeipräsidentin aufgestiegen – hatte Sander von der Ingenieurkammer zum Generalkommissar des Pavillon-Projekts ernannt, offenbar um dessen Stellung gegenüber den Expo-Machern in Dubai zu stärken, wie sie später erläuterte. Doch Sander nutzte seine Befugnisse, um einen Vertrag zu unterschreiben, der Baden-Württemberg in Haftung nimmt.

Scheinbar hat das Papier im Wirtschaftsministerium überhaupt niemand gelesen, bevor es unterzeichnet worden ist. Darauf deuten jedenfalls die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses hin, der die Pavillon-Affäre in einem 740 Seiten umfassenden Bericht aufgearbeitet hat. Demnach habe Sander bei einer Befragung angegeben, er habe den Vertrag vorher an das Wirtschaftsministerium, und zwar an die Zeugin G., geschickt. Er habe das so in Erinnerung, dass G. gesagt habe, der Vertrag sei okay, hieß es ursprünglich von Sander: "Wir haben den Vertrag mit der Referentin diskutiert, sie hat nicht 'Nein' gesagt", sagte er im Zeugenstand. Später musste er seine Aussage relativieren. Er sei sich nicht mehr sicher, ob sie wirklich "okay" gesagt habe.

Die Zeugin G. schildert es so, dass sie den Vertrag zwar per Mail auf ihr Diensthandy geschickt bekommen habe, ihn aber nicht anguckte, weil sie die Mail vor Vertragsschluss gar nicht geöffnet habe. Ihr sei nicht klar gewesen, dass sie ihn prüfen sollte. Was genau in der Mail stand, lässt sich aber nicht rekonstruieren, denn die Zeugin hat sie gelöscht. Ihr Postfach sei voll gewesen.

Immerhin eine Infotafel

Jedenfalls gab es auf einmal einen unterzeichneten Vertrag und als dem Wirtschaftsministerium dämmert, dass das Konsequenzen haben könnte, ist die Aufregung groß. Es ist der Sommer 2019 und inzwischen zeichnet sich ab: Das Spendensammeln klappt auch nicht so gut wie erhofft, für die Finanzierung des Pavillons fehlen Millionen. Der Untersuchungsausschuss erklärt Sander zum Hauptverantwortlichen: Dieser habe "das Projekt mit großer Motivation begonnen, dann allerdings den Überblick verloren" und "seine Fähigkeit, aufgrund seines Netzwerks Sponsoren zu akquirieren", massiv überschätzt. Als Geschäftsführer der Ingenieurskammer musste er gehen, dafür wurde er Geschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrates Baden-Württemberg – trotz des Pavillon-Debakels.

Am Ende liegt ein Defizit von etwa 15 Millionen vor, das gedeckt werden muss. Das Land, welches ursprünglich nur 2,5 Millionen Euro beisteuern wollte, springt in die Bresche, um die Mehrkosten zu decken. Bis zuletzt hoffte insbesondere das Wirtschaftsministerium, wenigstens einen Teil des Geldes zurückzubekommen. Denn Vertragsunterzeichner Sander hatte schriftlich versichert, dass "das wirtschaftliche Risiko bei der Realisierung des Baden-Württemberg-Hauses auf der Expo 2020 in Dubai ausschließlich bei den Projektpartnern Fraunhofer IAO, FWTM und Ingenieurkammer Baden-Württemberg" liege und für das Bundesland Baden-Württemberg jegliche Haftung ausgeschlossen sei. Vergangene Woche jedoch urteilte das Landgericht Stuttgart, dass Sander gar keine hinreichende Vollmacht hatte, eine entsprechende Erklärung im Namen aller Projektpartner abzugeben, womit das Schreiben nichtig ist. Die Klage des Landes mit dem Ziel, nicht allein auf den Kosten sitzen zu bleiben, ist damit gescheitert.

"Die Veranstaltung ist zwar vorbei, aber ihr Vermächtnis lebt weiter", heißt es auf der Website zur Expo in Dubai. In der Tat steht das Baden-Württemberg-Haus noch heute. Das Bundesland hatte eigentlich die Absicht verfolgt, "den Pavillon als Ort des Austausches zwischen Baden-Württemberg und den Vereinigten Arabischen Emiraten weiter zu nutzen". Daraus wurde nichts, weil der Plan offenbar nicht mit den Verantwortlichen der Expo abgesprochen war. So stand das Land vor der Wahl, den 17,5 Millionen Euro teuren Pavillon nach einer Ausstellungszeit von sechs Monaten wieder abzureißen oder an Dubai zu verschenken. Weil der Abriss zusätzliche 400.000 Euro gekostet hätte, war die Entscheidung einfach. Immerhin konnte noch ausgehandelt werden, dass eine Infotafel im Gebäude daran erinnert, dass es einmal das Baden-Württemberg-Haus war.

Einsame Ministerin

Ein paar schöne Erinnerungen an die Expo hat, trotz alledem, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Denn Politik ist, wenn man trotzdem feiert. Die Bilanz für das Baden-Württemberg Haus falle "durchweg positiv" aus, resümiert die Ministerin und meint, der Pavillon sei "jeden Euro für das Land wert" gewesen. Baden-Württemberg habe sich "vor einem Weltpublikum erstklassig präsentiert" und sei "als ebenbürtig im Kreis von mehr als 190 Staaten wahrgenommen" worden. Um ein Haar hätte sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) vorbeigeschaut, der sich zwei Mal angekündigt hatte, aber dann "aufgrund außergewöhnlicher Umstände" kurzfristig absagen musste.

Winfried Kretschmann gab hingegen offen zu erkennen, dass er nach dem ganzen Debakel keinen Bock hatte, vorbeizuschauen. Auch aus dem Landtag wollte kaum jemand anreisen. Die Oppositionsparteien SPD und FDP protestierten natürlich, aber nicht einmal die regierenden Fraktionen von Grünen und CDU hatten Lust. Am Ende begleitete nur eine einzige Abgeordnete die Ministerin zur Eröffnung nach Dubai: Carola Wolle von der AfD.

Selbst davon ließ sich Hoffmeister-Kraut nicht entmutigen und warb in der heimischen Ministerrunde noch einmal für das "Must-See", diesen "Meilenstein der globalen Präsenz von Baden-Württemberg", bat die Kolleg:innen, sich das nicht entgehen zu lassen – letztlich ohne Erfolg. Zu allem Überdruss gab es noch ein vernichtendes Feedback von Fernsehmoderator Chris Fleischhauer. Die "Bild"-Zeitung hatte mitbekommen, dass "Deutschlands erste männliche Lotto-Fee" zur Expo-Zeit in Dubai weilte und sogar das kostspielige Baden-Württemberg-Haus betrat. Sein Fazit? "Hätte man sich sparen können, sollen und müssen. Wir waren nur 15 Minuten im Pavillon, weil alles so langweilig war."

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6 Kommentare verfügbar

  • Peter Bähr
    vor 6 Tagen
    Antworten
    Famos - der Kommentare Replik, ebenso die Recherche!
    Apropos "The Länd": Wer war's doch gleich, der Affen über uns Menschen verortete - weil wir über Sprache verfügten?
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