Rockenbauch: Na ein paar Anträge haben die ja schon gestellt. Zum Beispiel, das Geld für Sozialwohnungen zu kürzen und es auf Eigentumswohnungen umzuverteilen. Ich glaube, Nazis und Rassisten gibt's unabhängig davon, was wir für eine Politik machen. Aber ob sie erfolgreich sind, ob sie mehrheitsfähig sind, hängt wahnsinnig von unserer Politik ab im Gemeinderat. Mit diesen 15 Jahren mit theoretischer Mehrheit – sie war ja nicht immer eine ökosoziale, sie war ja oft mit der CDU zusammen – hätten wir schon ein paar Sachen inhaltlich entschiedener voranbringen müssen, wie die lebenswerte Innenstadt, die Verkehrswende, die Energiewende, den Klimaschutz. Denn unsere Mehrheiten werden gerade nicht größer. Und unsere Maßnahmen müssen immer drastischer werden, weil wir Zeit verlieren und die Systemkrise eskaliert.
Puttenat: Jetzt klammerst du mir zu sehr die Verwaltung aus. Wir haben ganz viele Dinge beschlossen, die aber der Umsetzung harren. Das ist ein riesiges strukturelles Problem.
In der Stadtverwaltung sind etliche Stellen unbesetzt, viele Menschen, die für Stuttgart arbeiten, leben in Esslingen oder Ludwigsburg, weil es hier an bezahlbarem Wohnraum fehlt.
Meergans: Aus unserer Sicht als SPD hängen viele Probleme damit zusammen, dass man über viele Jahre die Verwaltung kaputtgespart hat. Das fängt bei den Arbeitsbedingungen an und bei der Situation, wie Liegenschaften aussehen. Die sind ganz eindrücklich im Bericht vom Personalrat beim Amt für öffentliche Ordnung. Da kommen die Bewerber in die Eberhardstraße 39, in dieses uralte Gebäude, laufen hoch, fragen, wofür die roten Eimer da sind – naja, weil es da reinregnet. Und sitzen dann in einem unterirdischen Besprechungszimmer zum Vorstellungsgespräch, fragen vielleicht mal nach Homeoffice und die Antwort ist: Naja, die E-Akte gibt es nicht, von daher ist das keine Option. Mit der Digitalisierung sind wir 20 Jahre zu spät dran. Dazu kommen natürlich die demografische Entwicklung und der generelle Arbeitskräftemangel, der sich ja über alle Berufsgruppen und Arbeitsfelder zieht.
Puttenat: Also es hat ja schon etwas Absurdes. Dass wir in jedem Doppelhaushalt noch mehr Stellen beschließen, die wir auch tatsächlich brauchen. Also, das ist richtig so. Gleichzeitig wissen wir aber gar nicht, wie wir die besetzt kriegen. Ich glaube, wir haben auch in der Verwaltung, in diesem Monsterapparat, ganz viele strukturelle Probleme, die auch menschliche Faktoren beeinflussen. Diese ganzen Top-Down-Prozesse: oben Bürgermeister A oder X, Bürgermeisterin C, Amtsleiterin, Referatsleiter und so weiter. Dann fehlt ganz oft auf den unteren Ebenen der Mut, Entscheidungen zu treffen, weil alle Schiss haben, dass sie eins auf den Deckel kriegen können. Aber auch unter den Bürgermeister:innen gibt es massive Probleme, weil ja viel interdisziplinär gearbeitet werden muss. Und das meine ich mit dem menschlichen Faktor. Wenn du Leute hast, die nicht gut miteinander können, dann kommt am Ende vielleicht auch nichts Gutes dabei raus.
Meergans: Du hast einen ganz Wichtigen vergessen: den Oberbürgermeister, den Chef der Verwaltung …
Puttenat: Wie heißt der nochmal? Nein, Spaß beiseite: Frank Nopper glänzt leider auch nicht durch Führungsqualitäten.
Rockenbauch: Wir warten jetzt seit vier Jahren, dass der Rahmenplan für die verkehrsberuhigte B14 vorankommt. Die Aufgaben sind gigantisch, wir brauchen dringend mehr Handlungsfähigkeit, um Daseinsvorsorge und Klima hinzukriegen. Da kann man von anderen Ländern lernen, die deutlich höhere Beschäftigungsquoten haben im Öffentlichen, wo Kommunen allerdings auch deutlich mehr Steuereinnahmen kriegen. Und auf den Führungsebenen bräuchte es Leute, die den Beschäftigten die Angst nehmen. Die auch Probleme lösen lassen, die Ideen und Kreativität zulassen und nicht verlangen, dass alles immer zum Chef hoch muss. Und wenn man mal ins Risiko geht, sollte man keine Angst haben müssen in dieser Hierarchie. Aber dieses Klima herrscht in der Verwaltung nicht. Da redest du mit dem einen Bürgermeister, der lästert über den anderen, dann gehst du zum anderen, und der lästert dann über den. Da bräuchte es schon einen Oberbürgermeister, der dieses Team organisiert, befähigt, anleitet und zusammenbringt.
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Jo Steiner
am 07.06.2024