Zuvor hatte am 17. November 2023 der Bundestag auf Betreiben von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) das Disziplinargesetz für Bundesbeamtinnen und -beamte verschärft. Danach können Bundesbehörden seit 1. April 2024 sämtliche Disziplinarmaßnahmen, einschließlich Zurückstufung, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und Aberkennung des Ruhegehalts, durch bloße Disziplinarverfügung aussprechen. Bisher mussten die Behörden dazu Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Unter Verweis auf dieses "Vorbild" und darauf, in Baden-Württemberg bestehe schon seit 2008 eine solche Regelung, nahmen Stübgen und die Brandenburger Regierungskoalition die Disziplinarverfügung am 6. März 2024 in ihren "Verfassungstreuecheck"-Gesetzentwurf mit auf. Am 26. April 2024 stimmte der Landtag über insgesamt 204 Seiten Gesetzestext, Begründung, Berichte, Zusatzantrag und Beschlussempfehlungen ab.
Ein größerer Teil war erst Tage zuvor ausgegeben und das Paket am 24. April nochmals in den Hauptausschuss überwiesen worden. Auch dort wurden Änderungsanträge von Seiten der Fraktion Die Linke alle kurzerhand abgeschmettert. Nachgeschoben wurde lediglich ein Zusatzantrag der Koalition: Um "Probleme bei der Rechtsanwendung" zu vermeiden, wird der Innenminister "aufgefordert, ein Rundschreiben mit Anwendungshinweisen für die Dienstherren" zu erlassen, zum Beispiel, was die "Berücksichtigung der Unschuldsvermutung" und "Fürsorgepflicht" oder die "Prüfung eines Rehabilitierungsprogramms" angeht. Das besagte Rundschreiben muss allerdings erst noch verfasst werden.
Am 26. April folgte dann die dritte Lesung und Endabstimmung. Das Gesetz wurde in namentlicher Abstimmung mit 42 zu 24 Stimmen verabschiedet (22 Abgeordnete fehlten).
Scharfe Kritik von Gewerkschaften
Die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verbände wie DGB, Beamtenbund, Richterbund, Städtetag hatten zur nachgeschobenen Verschärfung der Disziplinarordnung zuvor nur noch schriftlich Stellung nehmen dürfen. Am Tag vor der Landtagssitzung platzte den Gewerkschaften der Kragen. In einer gemeinsamen Stellungnahme teilten DGB, GEW, Verdi, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutsche Beamtenbund (DBB) am 23. April mit: "Die Gewerkschaften im DGB sowie DBB kritisieren scharf die Art und Weise des Einbringens dieser erheblichen Änderungen im Disziplinarrecht im sogenannten Omnibusverfahren (Huckepackgesetz). Mit der Zurückstufung bzw. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis per Disziplinarverfügung wird der Schutz der Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten vor politisch geprägten Einflussnahmen auf ihr Handeln geschwächt. Eine Änderung des Disziplinarrechts sollte einem demokratisch geführten Verfahren unter Einbeziehung von Verwaltung und Gewerkschaften vorbehalten bleiben." Die Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg sagte der Presse am 24. April: So "verkommt parlamentarische Partizipation zum Feigenblatt".
Laut der Linken-Fraktion im Brandenburger Landtag würden jetzt "Beamte schlechter gestellt als 'normale' Angestellte im Kündigungsverfahren". Der Rechtsweg werde beschränkt, da bei Entscheidungen der obersten Dienstbehörde ein Widerspruchsverfahren nicht stattfinde. Auch die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts ist nur möglich, wenn sie vom Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Das "gesamte Prozessrisiko" sei somit "auf die Betroffenen verlagert". Und durch die Abschaffung des Richtervorbehalts würden laut Linke "bei Disziplinarverfahren Dienstherren, auch mögliche AfD-Landräte und -Bürgermeister, ermächtigt, Menschen direkt zu entlassen".
Innenminister Stübgen hofft möglicherweise, Vorreiter für alle Bundesländer zu werden. Sein Text ist im Wortlaut weitgehend von den Erlassen der 1970er-Jahre abgeschrieben. Trotzdem behauptet er, die neue Regelung habe mit dem Radikalenerlass "nichts zu tun". Vielmehr gehe es um ein Gesetz, was "bundesweit bisher einmalig" sei. Auch die BVB/Freie Wähler-Gruppe stimmte dafür – weil nun die Tür offen sei, dieses auch auf den gesamten Öffentlichen Dienst auszuweiten (was geltendem Arbeitsrecht für Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellte völlig widersprechen würde).
2 Kommentare verfügbar
Martin Hornung
am 05.05.2024natürlich soll so jemand nicht als Lehrer arbeiten können. Das lässt sich aber allein damit verhindern, dass der Mann Volksverhetzung i.S. des Strafgesetzbuchs begangen hat.
Das Absurde ist jedoch, dass diese Salafisten-Demo in Hamburg ohne jede Einschränkung genehmigt und…