Die einen machen Sahra Wagenknecht für das schlechte Abschneiden verantwortlich, die nächsten die zu viel oder zu wenig formulierte Bereitschaft mitzuregieren. Wieder andere meinen, die Linke würde strittige Fragen nicht ausdiskutieren, so dass am Ende niemand weiß, wofür sie steht. Und was ist an der Basis los?
Frau Lenhardt, Herr Capezzone, wie wird das schlechte Bundestagswahlergebnis im Kreisverband diskutiert?
FC: Wir haben Versammlungen und wir haben natürlich diskutiert, aber mit relativ kühlem Kopf. Das finde ich auch wichtig. Wir werden niemandem den Gefallen tun, uns jetzt selbst zu zerfleischen. Es gibt ja genug Konkretes zu tun.
Getan haben Sie ja viel im Wahlkampf. Ist das Wahlergebnis eine Quittung für Ihre Arbeit?
KL: Das sehe ich nicht so. Bei den Gesprächen im Wahlkampf, auch an vielen Haustüren, sind wir nahezu durchweg auf positive Resonanz gestoßen. Die Probleme, die wir thematisieren: hohe Mieten, niedrige Löhne, damit haben wir Leute erreicht.
Aber die Linke wurden auch hier kaum gewählt … Woran lag es also?
KL: Es haben viele Grüne oder SPD gewählt, weil es im Wahlkampf die Polarisierung gab: Laschet oder Scholz. Viele wollten Laschet verhindern oder wollten Scholz als Person.
FC: Diese Wahl war anders als die davor, bei der klar war, dass Merkel weiterregieren würde. Diesmal war klar, es wird eine Änderung geben und da haben viele gesagt, ich wähle das kleinere Übel. Die Wählerwanderung zu SPD und Grünen war der Wunsch nach einem Wechsel. Offensichtlich wurde die Rolle der Linken zu wenig gesehen. Da müssen wir besser werden als Partei, die die Einkommensschwachen oder Einkommenslosen vertritt.
KL: Wir hier in Stuttgart versuchen, mit einem konkreten Thema, den geplanten Mieterhöhungen bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWSG, an die Lebenswelt der Leute anzuknüpfen und ich finde, das funktioniert auch. Klar ist, die meisten SWSG-Mieter wollen keine höhere Miete zahlen, zumal der Anteil vom Einkommen für Miete eh schon hoch ist und die Leute verdienen auch nicht so viel. Bei dieser Arbeit entstehen viele Kontakte, wir informieren, machen Stadtteilfrühstücke, damit die Leute sehen: Ich bin nicht der einzige. Das sind aber länger dauernde Prozesse, die sich nicht gleich in Wählerstimmen widerspiegeln. Woran man sehen kann, dass so was funktioniert, ist ja, dass die KPÖ in Graz so gut abgeschnitten hat. Die machen das ja seit 20 Jahren. Die sind von ein paar Prozent auf jetzt 28 gekommen. Aber das hat eben 20 Jahre gedauert.
Bundesweit wird als eine Ursache für den Wahlabsturz die Rolle von Sahra Wagenknecht diskutiert. Sie hat in ihrem Buch Lifestyle-Linke, die sich zu viel um Randgruppenthemen kümmern gegen Linke gestellt, die sich um die klassische Klientel kümmern. Sind Sie Life-Style-Linke oder wo gehören Sie hin?
5 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 18.10.2021Verantwortung übernehmen bedeutet ja, dass sich vor Ort, dort wo das tatsächliche Leben stattfindet, der Lösungsansatz im "Bürger*innen-Kontakt" zu erfolgen hat – zeitnah im persönlichen Gespräch.
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