Die Hallertau – seit Jahrhunderten wird hier die bayerischste aller Pflanzen angebaut: Hopfen. Bis heute prägt das Hanfgewächs das Landschaftsbild sowie die Identität und Kultur der Bewohner. So auch mitten in der größten Hopfenregion der Welt – in Pfeffenhausen. In der um 1040 erstmals urkundlich erwähnten Marktgemeinde im Landkreis Landshut scheint selbige Welt noch in Ordnung. Die Wirtshäuser der 5.000-Seelen-Gemeinde zapfen das Bier der lokalen Privatbrauerei, die seit 1474 Hopfen zu süffigem Gold veredelt. Der Tourismusverein rät, die Pfarrkirche St. Martin und den Naturlehrpfad zu erkunden.
Auch politisch ist es hier, rund 80 Kilometer nördlich von München, so, wie es in den guten alten Zeiten immer war. Das Rathaus dominieren die Schwarzen. Im 20-köpfigen Gemeinderat bilden die neun CSUler oft eine bayerische GroKo mit sieben Freien Wählern. Rot-Grün spielt keine Rolle, nur je zwei Sitze entfallen auf die "Linksparteien". Selbstredend ist auch Bürgermeister Florian Hölzl, der seit Mai 2020 die Geschicke des Markts lenkt, ein Christsozialer. Davor hatte es der 36-Jährige sogar als Nachrücker zeitweilig in den Landtag im fernen München geschafft.
Die Idylle trübt allenfalls der lokale Arbeitsmarkt. Er zwingt viele Pfeffenhausener zum Pendeln nach Landshut und Dingolfing, wo der Autobauer BMW zwei große Werke hat. Vor Ort ist der größte Arbeitgeber heute die Sargfabrik Stöckl. 60 Mitarbeiter zimmern nach DIN-Norm 3891 jährlich Tausende Totenkisten, aus Kiefern-, Eichen-, Pappel- oder Buchenholz. Noch im Sommer 2020 waren im Ort andere Totengräber unterwegs: Die Krise der Automobilzulieferer zwang die Firma Brandl Maschinenbau fast in die Knie – 120 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Der alteingesessene Familienbetrieb poduziert seither nur noch in Tschechien und Rumänien.
Pfeffenhausen als Nabel der Wasserstoffwelt?
Doch das ist Schnee von gestern. Bald geht es in der niederbayerischen Provinz steil aufwärts. Pfeffenhausen soll zum Nabel der Welt werden – zumindest der Wasserstoffwelt. Dank eines Berliner CSU-Spitzenpolitikers: dem Scheuer-Andi, seines Zeichens (noch) Bundesverkehrs- und Digitalminister mit Wahlkreis im benachbarten Landkreis Passau. Er überbrachte vor wenigen Tagen höchstpersönlich die gute Nachricht, wonach die Kleinstadt ein Technologie- und Innovationszentrum für Wasserstoff im Mobilitätssektor bekommt. Kleine und mittelständische Unternehmen sowie Start-ups sollen hier ein staatlich gefördertes Dach über dem Kopf bekommen, um dem Energieträger der Zukunft zum Marktdurchbruch zu verhelfen. Bislang spielt "H2" nämlich keine Rolle als klimafreundlicher Antrieb. Weder BMW noch die Konkurrenz aus Ingolstadt, Stuttgart oder Wolfsburg haben ein H2-Modell im Portfolio. Auch weil batterieelektrische Antriebe viel effizienter sind.
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Lothar Biehl
am 26.09.2021