Der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper hat fast 70.000 StuttgarterInnen dazu motivieren können, ihm im ersten Wahlgang ihre Stimme zu geben. Das ist ein knappes Drittel derer, die teilnahmen. Das hinderte die "Stuttgarter Zeitung" nicht daran, anderntags in einer Grafik die ganze Stadt tiefschwarz einzufärben und mit dieser Überschrift aufzutrumpfen: "Schwarz dominiert die ganze Stadt." Oder wollte man im Pressehaus vermitteln, die Landeshauptstadt trüge geschlossen Trauer? Irgendjemand in der STZN-Schaltzentrale muss dann doch etwas gemerkt haben – am Dienstag wurde wenigstens Grau in Grau abschattiert.
Frau argwöhnt Absicht und ist verstimmt: Veronika Kienzle hatte es schwer, seit sie Mitte Februar ihre Kandidatur publik machte. Ihre eigene Partei, die eigentlich ein gewisses Interesse daran entwickelt haben musste, dass Fritz Kuhns Erbe bei den Grünen bleibt, war vom ersten Tag an nicht in der Lage oder nicht willens, sie angemessen zu unterstützen. Nicht der Kreis- und nicht der Landesverband, nicht die direkt gewählten Bundestags- und Landtagsabgeordneten. Mit vereinten Kräften und binnen weniger Tage wäre die falsche Botschaft auszutreten gewesen, Kienzle sei nur dritte Wahl. Weder Muhterem Aras noch Cem Özdemir wollten klarstellen, dass sie gar nicht zur Verfügung standen. Erstere, weil das Amt der Landtagspräsidentin attraktiver und vergleichsweise einfach zu stemmen ist. Letzterer, weil er als früherer Parteichef noch immer nach Höherem in der Bundespolitik strebt. Nicht einmal die Chance, Winfried Kretschmann nachzufolgen, kann ihn nach Baden-Württemberg locken.
Wenig Hilfe aus den eigenen Reihen
Wurschtigkeit regiert auch gegenüber grünen Gründungsprinzipien. Außer der Kandidatin selbst und ihrem Team sah sich niemand aufgerufen, die zweite historische Chance der Partei angemessen ins Zentrum zu rücken. Denn erstmals in der Geschichte der Republik könnte eine Grüne Oberhaupt in einer Landeshauptstadt werden. Allein die Reaktion, die diese Mitteilung auch noch nach wochenlangem Wahlkampf nicht nur bei jungen Männern auslöst, zeigt, dass kaum jemand den Umstand auf dem Schirm hat, wie wenige Frauen überhaupt in Landeshauptstädten reüssierten. Die bundesweit bekannteste OB Petra Roth (CDU) dient als Gegenargument jedenfalls nicht, denn Frankfurt ist keine Landeshauptstadt.
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Peter Hermann
am 12.11.2020