Riexinger: Die Popularität der grünen Inkarnation von Erwin Teufel ist unbestritten. Das heißt aber nicht, dass 72 Prozent der Baden-Württemberger mit seiner Politik einverstanden sind. Hören die Hartz-IV-Empfänger, die Niedriglöhner, die Erwerbslosen ein Wort von ihrem Ministerpräsidenten? Lieber spricht er mit den Bossen über Hightech in Silicon Valley.
Rockenbauch: Ich habe mit Kretschmann nach seinem Amtsantritt in der Villa Reitzenstein gesprochen. Damals ging es um die Volksabstimmung zu Stuttgart 21, die er mir als Erfolg der Demokratie verkauft hat. Meine Gegenargumente hat er mit der Bemerkung vom Tisch gewischt, dass er jetzt Regierungschef sei. Weißt du, Hannes, hat er gesagt, jetzt geht es nicht mehr um Inhalte, jetzt muss ich mich an den Rechtsstaat halten. Auf meine Frage, warum er, wenn es ihm nicht um Inhalte ginge, dann unbedingt Ministerpräsident werden wollte, habe ich bis heute keine Antwort erhalten.
Herr Riexinger, wenn man Sie beide so reden hört, könnte man glauben, der grüne Kretschmann sei Ihr Hauptfeind.
Riexinger: Mir geht es nicht um ihn als Person. Das Landesväterliche, verbunden mit intellektuellen Hannah-Arendt-Einsprengseln, verkörpert er gekonnt. Ich kritisiere seine Politik, die als grüne FDP daherkommt und mit sozialer Gerechtigkeit nichts mehr gemein hat. Die Grünen haben einmal den sozialökologischen Umbau gewollt, hier waren sie Vordenker und Motor. Und heute? Bei den Windrädern stehen sie in Baden-Württemberg an letzter Stelle. Das muss ein grüner MP erst mal hinbekommen.
Rockenbauch: Die Grünen haben den Blick fürs Grundsätzliche verloren. Woher kommt denn die Ausbeutung von Mensch und Natur? Natürlich von der Art, wie wir leben, produzieren und wie die Herrschaftsverhältnisse auf der Welt sind. Ohne soziale Gerechtigkeit und Gleichheit sind sie nicht zu ändern. Da hilft auch der Spruch von OB Kuhn nicht weiter, man könne mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben. Das ist Kosmetik. Wer die Welt besser machen will, muss ans Eingemachte und die Ausbeutung von Mensch und Natur überwinden. Das macht die Linke als einzige Partei, und es wird höchste Zeit, dass sie das auch im Landtag tun kann.
Da werden sich die Herren von Daimler, Porsche und Bosch aber warm anziehen müssen.
Riexinger: Ich kenne den Spruch: Gegen die Wirtschaft ist nicht zu regieren. Das ist ein Offenbarungseid, den auch die Grünen geleistet haben. Sie sind im Klub angekommen, der sagt: Die Wirtschaft bestimmt die Rahmenbedingungen und nicht die Politik. Wir halten dagegen: Wir müssen das Primat der Politik wieder einführen. Die Wirtschaft muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt.
Rockenbauch: Keiner kann etwas gegen Wirtschaft haben, nur gegen die wenigen in der Wirtschaft, die sich auf Kosten vieler bereichern. Winne Hermann sagt einmal "weniger Autos", und schon steht der Porsche-Chef auf der Matte. Wenn man sich von solchen Leuten domestizieren lässt, gibt man sich selber auf. Wir haben doch alle einen Politikwechsel erwartet. Ein grüner MP, ein grüner Verkehrsminister, ein grüner OB, und was wurde daraus? Stuttgart 21 wird gebaut, der soziale Wohnungsbau kommt nicht voran, der versprochene Demokratieaufbruch hat nicht stattgefunden.
Wenn wir uns richtig erinnern, sitzt aber auch die SPD in der Regierung.
Riexinger: Die SPD kann doch das Wort "sozial" erst wieder buchstabieren, seit sie von der Linken dorthin getrieben wurde. Die Agenda 2010 hatte sie schon abgehakt. Und in Stuttgart schafft sie es nicht einmal, das soziale Gewissen der Landesregierung zu sein. Nils Schmid beschränkt sich darauf, Buchhalter zu sein und die Interessen gut situierter Erben zu vertreten. Was einmal eine Arbeiterpartei war, repräsentiert Schmid zu null Prozent.
15 Kommentare verfügbar
Volker Maisch
am 26.06.2015Sie haben Recht !!!
Demokratie-Kapitalismus = Religion...
Die da " oben " merken es erst, wenn die Welt vor dem Abgrund steht. Die so genannte Neoliberalistische Politik seit der " Wende " 1989/90 fährt den Karren an die Wand !!!
Mit ihrer opportunistischen Politik " den Mantel in den Wind hängen" erreichen sie nur eins: Politikverdrossenheit !!!
Bin übrigens in zahlreichen politischen Gremien aktiv.
Sind wir uns jetzt a bissle näher gekommen ...?
Schwabe
am 23.06.2015Schon gemerkt - Volker Maisch versteht es nicht!
Stattdessen nimmt er die Nichtwähler in seine kalten Arme und verweist auf deren demokratisches Recht, sich die Freiheit zu nehmen, nicht wählen gehen zu müssen!
So weit so wahr!
Doch leider ist es mit der Demokratie so, dass wenn man sie nicht pflegt, sie vor die Hunde geht. Zum Beispiel indem große Teile der Bevölkerung nicht wählen gehen! Die so entstehende geringe Wahlbeteiligung unterstützt indirekt i.d.R. "die Falschen"!
Insofern verhält es sich mit der Demokratie bzw. mit dem Hinweis von Volker Maisch ähnlich wie mit einem Auto - es ist meine Pflicht den Kundendienst oder die Reparatur durchzuführen - doch ich muss nicht!
Mein Fazit: Das demokratische Recht darauf wählen gehen zu können sollte man als Pflicht verstehen!
Ich werde bei der nächsten Landtagswahl (wieder) "Die Linke" wählen!
Didi
am 22.06.2015Susanne
am 21.06.2015Thomas Lederer
am 21.06.2015Ich würde mir ja auch wünschen dass man die Demokratie , den Weltfrieden und die Gerechtigkeit wählen kann. Das ist aber nicht möglich. Auf der ganzen Welt regiert das Geld und das ist zum allergrössten Teil in Privater Hand. Als Beispiel kaufen Arabische Kalifen, Schaichs für Milliarden auch Deutsche Waffen und rüsten damit die faschistischen IS truppen aus. Mutti ist die mächtigste Frau der Welt, HK und Daimler und.... sind mächtiger und die Lobyisten sagen ihr schon was sie zu tun hat. Könnten Wahlen etwas prinzipiell verändern, wären sie schon längs verboten. Hannes und Bernd, ich zweifle nicht an eurem Willen, aber ich bin mir sicher dass es nicht reicht, dem Raubtier Kapitalismus die Zähne ziehen zu wollen- du bist mit der Zange am Zahn und schon schlägt er dir die Krallen in den Rücken
Werner
am 20.06.2015Volker Maisch
am 20.06.2015Wer's nicht begreift, versteht es nicht... in dieser Aussage steckt
schon viel Intelligenz !!!
Wählen bedeutet auch, nicht wählen zu müssen. ( mangels Alternativen )
F. Fischer
am 19.06.2015Danke für die freundliche "Belehrung". Ich weiß genau, was Riexinger beabsichtigt. Und ich teile seinen aufgesetzten Optimismus in keiner Weise. Mal unabhängig davon, was ich persönlich von den LINKEN oder ihren Vertretern Im Bund, Land oder hier in Stuttgart halte. Politische Naivität war nie ein guter Ratgeber. Darum gibt es kein unbeschwertes Wählen.
Jona Gold
am 19.06.2015Aber es kann nicht sein, dass die Linke in der Außenpolitik etc. Kompromisse macht. Die SPD und die Grünen sind es, die sich auf die Linken hier zubewegen müssen, bzw. wieder dahin, wo sie waren, bevor sie domestiziert wurden.
@Bahnfan: Ich glaube, die Beiden haben deutlich gemacht worum es geht. Warum soll man gegen "Altkonservative" etc. antreten? Die Grünen und die SPD haben in diesem Land die politische Landschaft in Richtung "Alternativlosigkeit" verschoben. Es ist schon richtig, zu versuchen genau diese Parteien unter Druck zu setzen. Ich ertrage diesen politischen Einheitsbrei nicht mehr.
@F. Fischer: Das mit dem "unbeschwerten Entscheiden" verhält sich eben so. Ich weiß noch genau, wie ich kurz vor der Wahl 2011 zu einem Freund sagte, dass ich inhaltlich eigentlich links wählen müsste, aber die historische Chance die CDU abzuwählen/einen grünen MP zu bekommen zu groß sei....ich könnte mir heute noch dafür die Hand abhacken, so ent-täuscht hat mich Kretschmann. Später, bei der OB Wahl in Stuttgart, sagte ich einigen Stuttgarter Bekannten (ich selbst bin nicht aus Stgt.), dass man nach den Erfahrungen mit Kretsche unmöglich nochmal grün wählen könne....
Nein, man muss Turner verhindern und außerdem wäre mit einem grünen OB und MP S21 am ehesten noch zu verhindern... Ja, und viele wählten daher wieder grün.
Diese Konstellationen gibt es jetzt nicht mehr. Das meinte Riexinger mit dem "unbeschwerten" Entscheiden. Ja, "taktisch" wählen ist Käse!
Grüße!
Jona
invinoveritas
am 18.06.2015Nur macht das einige der hier gemachten Aussagen nicht weniger fragwürdig.
Zeitweise redet Riexinger daher wie ein Parteisoldat der ganz alten Schule. So meint er einerseits, den anderen seien "die Menschen bedeutungslos", Kretschmann habe das Asylrecht verraten (was auch ein Blödsinn ist), und Nils Schmid, der Buchhalter und Reiche-Erben-Agent, sei eine "schwarze ((??)) Null". Und andererseits sagt er auf die Frage, warum denn jene anderen nicht mit der Linken ins Boot wollen: "Das verstehe, wer will." Potenzielle Koalitionspartner ad personam zu bepöbeln scheint der frühere Sozialdemokrat Riexinger für eine geglückte Vorbereitung auf eine solche zu halten.
Von unbeschwertem Wählen ist auch diesmal für Linke keine Rede. Riexinger will uns hier ein X für ein U vormachen. Denn selbstredend kann auch im März 2016 jede Stimme für die Linke, eben weil sie Grün und Rot fehlt, beitragen zur Rückkehr der CDU an die Macht.
Und nur ganz bornierte Zeitgenossen versuchen uns weiszumachen, grün-rote Politik sei von schwarzer nicht zu unterscheiden. Wäre das nicht bloß ein saudummes Propagandageschwätz, das alle schul-, verkehrs- und gesellschaftspolitischen Unterschiede leugnen oder kleinreden will, dann müsste ja die Linke die Frage beantworten, wieso sie, die doch immer nur an Sachpolitik orientierte, nicht schon längst Koalitionen mit der CDU ventiliert ...
Auch Hannes Rockenbauch greift leider zu einem fiesen Trick. Man lese aufmerksam seine Darstellung des Gesprächs mit Kretschmann im Staatsministerium, wo er hinten plötzlich das Wörtchen "ihm" hineinschmuggelt. Wer K. das Geständnis unterjubeln will, Inhalte seien ihm egal, geht auf Dummenfang.
Kein schöner Einstieg in den Wahlkampf. Von zwei Leuten, die doch alles ganz anders und viel besser machen möchten als die auf den Hund gekommene Konkurrenz.
Horst Ruch
am 18.06.2015wählt uns " Linke", wir werden es schon richten.
Damit -glaube ich- kann man die "Mehrheit" der Wähler nicht erreichen. Ausbeuter hin oder her, in keiner Gesellschaftsform lassen sie sich ausrotten, höchstens dezimieren.
Dass sich der tolerante "Krawattenlose" Rockenbauch links aufstellen lassen will ist gut für die S21er, aber....
Wir alle, besonders die sozial "Schwachen" brauchen die sozial "Starken" zur Finanzierung des Ausgleichs.
Diese gerechte Aussage fehlt leider in der Diktion der Linken.
Die da "Oben" sind die Bösen, wir da "Unten" sind die Guten.
Der Großteil der Gesellschaft will doch zu den "Oberen" gehören.
Der Wahlspruch der S21-Geschichte "Oben bleiben" gilt auch gesellschaftlich.
Warum konzentriert sich "Links"- außer den Außenseiter Perlenkettenwitwen- ganz nach unten?
Und seit Kretschmanns Volks-Bekehrung nach der verlogenen VA wissen es doch alle:
Die Mehrheit (im ganzen Land) zählt. In dem Fall auch für "Links".
Stuttgarter Straßenbürger
am 18.06.2015wers nicht begreift, versteht es nicht.
F. Fischer
am 18.06.2015Wer sowas sagt, übt sich entweder seinerseits bereits in Volksverdummung oder er hat das Prinzip nicht verstanden. Wie sagt Muddi so nett "Sie kennen mich". Ähnlich aussagekräftig, ist auch der Spruch von Riexinger. Wer bei Wahlen, egal auf welcher Ebene, "unbeschwert" entscheidet, ist politisch naiv.
Bahnfan
am 18.06.2015Volker Maisch
am 18.06.2015Bin seit vielen Jahren nicht Wähler , eben weil sich die Parteien
mit Nichten mehr unterscheiden.
Man stelle sich vor, Sie als Vegetarier unternehmen eine ausgiebige Wanderung, und kommen ausgehungert in eine Lokalität in der die Auswahl der Speisen darin besteht, dass es nur fleischhaltige Angebote gibt - was würden Sie tun ?
Nach ausgiebigen Lesen von Fachliteratur zu Themen wie Ökologie, Ökonomie, Politik, Philosophie u. der gleichen, sollten eigentlich Politiker wie Rockenbauch u. Riexinger wesentlich mehr Aufmerksamkeit bekommen. Meine Person
jedenfalls kann sich wieder vorstellen, bei der nächsten Wahl
meine Stimme abzugeben...