Während sich die einen über das antidemokratische Terrorregime Merkels den Kopf zerbrechen, fixiert Frank Nopper die Kameralinsen mit seinem patentierten Grinsen. Der OB-Anwärter mit CDU-Parteibuch hat eine Unterstützer-Gruppe auf Facebook mit etwa 850 Mitgliedern. Er schafft es auch am besten, der Jugend ihren crazy Content zielgruppengerecht zu servieren: Über 40 Schnitte zählt sein Wahlwerbespot bei einer Länge von einer Minute und sieben Sekunden. Nopper bietet politische Kalendersprüche auf schönem Bilderteppich, Kandidat Michael Ballweg geht gleich aufs Ganze. Man sieht ein kleines Mädchen, eben noch fröhlich am Frühstückstisch. Dann geschieht es – Maske auf, und direkt ist das Trauma da. In den Kommentarspalten halten sich harsche Kritik und Zustimmung für "unseren Michi" etwa die Waage.
Was zum Fick?
Wo Michael Ballweg noch versuchte, eine OB-Wahl ohne Mund-Nasen-Schutz vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht einzuklagen (nicht erfolgreich), versuchte auch Marco Völker, "Der neue Rommel", das "Superspreading-Event" einer "Massenwahl" per Eilantrag ans Regierungspräsidium (RP) verschieben zu lassen. Das RP lehnte ab und Völker beschwerte sich per Schreiben beim Verwaltungsgericht. Vor allem auch darüber, dass die Stuttgarter Zeitungsnachrichten einfach nicht über seinen "folgenschweren Antrag" berichten wollten. "Ich habe die Behauptungen der irren Verschwörungstheoretiker und Rechten über die angebliche 'Lügenpresse' stets zurückgewiesen", schreibt er. Jetzt allerdings hat er ja eigene Erfahrungen sammeln können und kommt zu dem Schluss: "'Alternative Fakten' werden auch geschaffen, indem man andere, objektive Fakten in einer 'Lückenpresse' unterdrückt oder unterschlägt." Dennoch: Mit 734 Stimmen hat Völker immerhin fast 200 Stimmen mehr bekommen, als Leute seine Facebook-Seite abonniert haben (558).
Mit 722 Stimmen nur knapp hinter "Wirtschaftsfuchs" Völker gelandet ist bei ihrer 112. Kandidatur für alle möglichen Ämter Fridi Miller aus Sindelfingen. "Profitgeilen Politikern ihre Grenzen aufzeigen" wollte die Dauerkandidatin bei der Stuttgarter OB-Wahl, denn in Deutschland sei der "organisierte Kinderhandel" ganz groß. "Trump wird heute Nacht in USA gewinnen und ich im 2. Wahlgang in Stuttgart und 2021 werden wir gemeinsam für Weltfrieden sorgen", hatte sie noch vor wenigen Tagen auf Facebook geschrieben. War nix, so oder so. Eines bleibt aber sicher vorherzusehen: Fridi wird nicht aufgeben und es wieder probieren, zu irgendeiner anderen Wahl.
Derweil setzte Marian Schreier noch im Endspurt auf maximale Verbreitung und präsentierte sich kurz vor der Wahl den 625.000 You-Tube-Abonnenten von Fitness-Coach Tim Gabel ("Hol das absolute Maximum aus Dir raus! Ich habe meine Topform schon mit 18 erreicht!"). "Wir werden heute über Politik sprechen", leitet der Muskel-Mann ein, "und bevor der ein oder andere fragt, ey, Tim, was zum Fick, wieso machst du hier eine Wahlkampfveranstaltung für jemanden in Stuttgart und warum zum Henker soll mich Stuttgarter Politik interessieren?" Ja, genau das hat er sich bis vor kurzem auch gedacht, der Tim, vor allem bei dieser "undurchsichtigen, intransparenten, bürokratisch aufgeladenen Kommunalpolitik, wo ich nicht mal wusste, wofür zum Teufel die verantwortlich ist". Und dann kandidiert da auch noch der Marian, der aussieht wie ein CDUler, jedenfalls wie ein "typischer Alman" (Biodeutscher im schlechtesten Sinne, d.Red.). Aber er selbst habe nun gelernt, dass man, um "vor allem für diese ganz großen globalen Probleme, die auf uns zurollen" – Klimaerwärmung bis Digitalisierung – in den Griff zu kriegen, nicht nur große Lösungen braucht wie das Pariser Klimaabkommen, sondern auch kleine Lösungen vor Ort. Sein Apell: "An jeden einzelnen von euch, der in Stuttgart sitzt: Holt euch 'nen Scheiß-Zettel und wählt!" Bevor da wieder einer rumheult, Politik würde nur von oben herab gemacht.
Einheitsfront: schwierig
Etwas staatstragendere Unterstützung hatte sich kurz vor der Wahl der im Gegensatz zu Schreier offizielle SPD-Kandidat Martin Körner geholt; am 4. November hatte er live auf Facebook mit Peter Tschentscher, Hamburgs Erstem Bürgermeister und momentan häufigem Talkshow-Gast, über moderne Großstadtpolitik diskutiert. Der hanseatische Genosse warb am Ende noch mit der Aussicht auf eine sozialdemokratische Nord-Süd-Achse – "Es wäre eine großartige Entwicklung, wenn Stuttgart und Hamburg auch über die Bürgermeister in einen sehr engen Austausch kommen könnten" – aber am Wahlabend zeigte sich ja dann recht rasch, dass den Stuttgartern achsentechnisch der Austausch von Weindorf und Fischmarkt zu reichen scheint. Körner gab denn auch schon eine Stunde nach Verkündung des Endergebnisses auf Facebook, Twitter und Instagram bekannt, "dass es mit diesem Ergebnis aus dem ersten Wahlgang wenig sinnvoll ist, auch noch in die zweite Runde zu gehen." Die über 50 Kommentare darunter waren größtenteils Respektbezeugungen, aber es fanden sich auch schon einige Fragen, ob er denn nun für den zweiten Wahlgang sich eine Unterstützung von Marian Schreier vorstellen könne – was ein weiterer Kommentator gleich mit "Verrat sollte man nicht belohnen" quittierte.
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