Herr Löhr, Sie haben am baden-württembergischen Entwurf zur Neuregelung der Grundsteuer beratend mitgewirkt. Wie kam es dazu?
Ich setze mich seit vielen Jahren dafür ein, Arbeit, produktive Investitionen und Verbrauch steuerlich zu entlasten und stattdessen die Nutzung von Land stärker zu besteuern. Da Kapitalien vermehrt in diesem Bereich investiert wurden, sind hier in den letzten Jahren gewaltige Vermögen entstanden. Die Landesregierung Baden-Württemberg möchte tatsächlich in einem eigenen Landesgrundsteuergesetz einen ersten Schritt in diese Richtung gehen. Ende Januar fand eine Expertenanhörung statt, zu der auch ich eingeladen war.
Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass sich die Länder nun für eigene Regelungen entscheiden können?
Ende letzten Jahres wurde ja das Grundsteuergesetz reformiert und dabei auch das Grundgesetz geändert. Nunmehr ist es den Ländern gestattet, vom neuen "Standardmodell" des Bundes durch eigene Landesgesetze abzuweichen. Die meisten Abweichler tun dies allerdings zugunsten von Modellen, welche die Immobilienlobby in Verzückung versetzen. Baden-Württemberg will hier einen anderen Weg gehen.
Die Notwendigkeit einer Grundsteuerreform kam ja dadurch zustande, dass das Bundesverfassungsgericht das bisherige Verfahren gekippt hat. Ist das Vorgehen, das der Bund beschlossen hat, denn nun verfassungskonform?
Schon in der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Bundestags 2019 kritisierte ich, dass auch das neue Bundesmodell nicht verfassungsfest ist. Die bekannte Rechtswissenschaftlerin Johanna Hey tutete ins selbe Horn, und im Nachgang schlossen sich auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages dieser Kritik an. Zur Berechnung der Steuerbasis für Wohngrundstücke sollen künftig gemeindetypische Durchschnittsmieten herangezogen werden. Das heißt, dass für die steuerliche Bewertung einer Immobilie in der besten Lage derselbe Mietansatz verwendet wird wie für eine Immobilie in einem sozialen Brennpunkt. Gute Lagen zahlen zu wenig, schlechte Lagen zu viel. Das entspricht nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz, wonach wirtschaftlich Gleiches gleich und wirtschaftlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist.
Sie haben das Hauptwerk des Ökonomen Henry George, "Fortschritt und Armut", neu herausgegeben. Was war Georges Ansatz?
4 Kommentare verfügbar
Gerald Wissler
am 04.05.2020Damit ist er aber in "guter" Gesellschaft, denn in den meisten Berichten über die Grundsteuerreform wird ein wichtiger Punkt außer acht gelassen. Deshalb…