Bernd Riexinger, der 64-jährige gebürtige Leonberger, hat schon viel erlebt im Straßenwahlkampf: Zuspruch und Applaus auf der einen Seite, Schmähungen und Kritik auf der anderen. "Ihr seid doch wie die SED", bekam er früher oft zu hören, "oder von der Stasi." Heute gehe es den Menschen eher um Kinderarmut, bezahlbare Mieten oder Mindestlohn. "Die Zeiten sind 30 Jahre nach dem Fall der Mauer einfach andere geworden", sagt der Bundesvorsitzende der Linkspartei.
Nicht allerdings für die CDU und erst recht nicht für zwei ihrer männlichen Mitglieder, die jetzt Bundesvorsitzende werden wollen. (Einzig Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW, lässt den "Freunden in Thüringen" die Hintertür offen, "schon das Richtige zu tun".) Friedrich Merz ist für Neuwahlen in Erfurt, hat aber ebenso keinen Weg gewiesen, wie das ohne Zusammenarbeit mit Bodo Ramelow gelingen könnte. Und Norbert Röttgen schmückt seine Bewerbungsrede mit dem Hinweis, "dass die Linkspartei eine Partei ist, die die Aufarbeitung mit ihrer diktatorischen Vergangenheit, 40 Jahre SED, noch nicht einmal begonnen hat." Stimmt nicht, kontert der MDR im Faktencheck, jedenfalls nicht so undifferenziert.
Unverbrüchlich gilt für Röttgen wie für viele andere in der Union: "Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für der Deutschland ab." Denn so lautet der vom Bezirksverband Nord-Württemberg mitinitiierte Beschluss des Hamburger Bundesparteitags von 2018. Schlank und rank und vor allem ohne jeden gedanklichen Aufwand packten die Delegierten damals AfD und Linke in einen Topf. Die CDU habe doch immer sehr wohl die Unterschiede zwischen den beiden Parteien gesehen, wird jetzt nachträglich in diesen einen einzigen Satz hineininterpretiert, müsse aber aus unterschiedlichen Sachverhalten denselben Schluss ziehen: Mit beiden geht gar nichts.
Dabei reicht ein halbes Dutzend Klicks, und die reale Geschichte käme ans Licht. "Seit Jahren werden Zusammenhänge analysiert", sagt Riexinger und verweist auf die Historische Kommission der Bundespartei oder auf die "engagierte Arbeit" in Thüringen. Dort kann die Linkspartei selber eine "Geschichtsdebatte" vorweisen, die 1989 begann. So wie keine andere Partei "haben wir uns kontinuierlich und konsequent mit unserer Geschichte auseinandergesetzt", schreibt die Linkspartei selber. Und zwar beginnend 1989 in der Dynamo-Sporthalle in Berlin mit der Rede Michael Schumanns "wurde der Bruch mit dem Stalinismus als System unwiderruflich vollzogen (…) wir haben schwere Fehler eingestanden und uns bei den Menschen in der DDR dafür entschuldigt".
"In der Konsequenz ein Unrechtsstaat"
"Wir übernehmen Verantwortung und stellen uns einer ernsthaften Aufarbeitung der Vergangenheit", heißt es im Thüringer rot-rot-grünen Koalitionsvertrag von 2014. Es gehe nicht um die Herabwürdigung von Biographien, sondern um die schonungslose Analyse der "Alltagsdiktatur". Und weiter sei "für eine Aufarbeitung in die Gesellschaft hinein von Bedeutung festzuhalten: die DDR war eine Diktatur, kein Rechtsstaat (…), weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat."
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Jue.So Jürgen Sojka
am 28.02.2020