Die Sängerhalle im Stuttgarter Stadtteil Untertürkheim hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Denn das im Jahr 1905 errichtete Chorheim war nicht immer Ort für Feiern, Tanzstunden, Vereinstreffen und Gesangsproben. Im Ersten Weltkrieg diente das Gebäude als Lager für französische Kriegsgefangene, während des Zweiten Weltkriegs war es Unterkunft für russische Zwangsarbeiterinnen. Nach Kriegsende nutzte die amerikanische Militärregierung die Halle für den Kriegsverbrecherprozess gegen Hitlers Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht.
Vergangene Woche bot die Sängerhalle den Schauplatz für den Erörterungstermin zum Abstellbahnhof Untertürkheim, den die Deutsche Bahn im Rahmen von Stuttgart 21 bauen will. Zwei Tage lang wurde über das Für und Wider der geplanten 10,1 Hektar großen Rangier- und Waschanlage diskutiert. Diese soll den heutigen Wartungsbahnhof Rosenstein ersetzen, denn der lässt sich nicht an den künftigen Tiefbahnhof anschließen. An dessen Stelle soll ein neues Wohnquartier entstehen, die Fläche befindet sich schon seit Jahren im Besitz der Landeshauptstadt.
Beim Bau des Ersatz-Abstellbahnhofs in Untertürkheim, den die Züge im Ringsystem und aus beiden Durchfahrtrichtungen des Tiefbahnhofs erreichen können, scheint es die Bahn auf den ersten Blick einfach zu haben: Er ist auf einem ehemaligen Güterbahnhofgelände vorgesehen und im Gegensatz zu anderen S-21-Bauabschnitten braucht es dort keine aufwendigen Hoch- und Tiefbauten, weder Brücken noch Tunnels sind zu betonieren. Um die dort geplanten 23 Abstellgleise mit einer Gesamtlänge von knapp neun Kilometern legen zu können, müssen auf dem verwaisten Areal neben dem Daimler-Stammwerk "nur" 204 000 Kubikmeter Aushub bewegt, Dutzende Weichen eingebaut, eine knapp 300 Meter lange Waschhalle und ein Technikgebäude errichtet werden.
Lärm und tote Bienen
Dennoch gibt's Widerspruch. Beim Regierungspräsidium Stuttgart (RPS), das im Auftrag des Eisenbahnbundesamts (Eba) das Planfeststellungsverfahren durchführt, gingen 370 Einwendungen ein – "von denen 220 Mustereinwendungen waren", betonte Versammlungsleiterin Getrud Bühler vom RPS zum Erörterungsauftakt. Während Bau und anschließendem Betrieb der Abstellanlage befürchten Anwohner Lärm und die Umweltverbände NABU, BUND und LNV den Verlust wertvoller Biotope mit streng geschützter Fauna. Konkret: 4350 Mauereidechsen und eine unbekannte Anzahl von seltenen Wildbienen sollen auf dem Gelände leben, das seit rund zwei Jahrzehnten sich selbst überlassen ist.
5 Kommentare verfügbar
Jupp
am 26.01.2020Der Großteil des Lärms ist un Zukunft unter der Erde. Die Stadt und die Region atmet auf. Alle freuen sich auf die Ruhe im Park wo heute noch im Minutentakt die Züge…