"Wir brauchen einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent wie unter Helmut Kohl", sagte Fabio De Masi dieser Tage, als Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) laut über die Anhebung des Spitzensteuersatzes um drei Punkte auf 45 Prozent nachdachte. Der finanzpolitische Sprecher der Linken-Fraktion schlägt vor, dass diese 53 Prozent für Singles ab 7100 Euro Monatsbrutto fällig werden.
Eine ernsthafte Auseinandersetzung über dieses Reizthema wird auch diesmal wieder massiv erschwert. Es ist die Union, die unverzüglich die immergleichen Denkverbote ausgibt. "Jede Debatte über Steuererhöhungen ist Gift für die Konjunktur", sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Der Satz zeugt von Denkfaulheit und steinalten Tabus. Vor allem ist er grottenfalsch und schon so oft empirisch widerlegt worden, dass allen, die ihn rausposaunen – gerne auch aus den Reihen der FDP –, eine lange Nase wachsen müsste.
Blick in die USA könnte helfen. "Höhere Besteuerung der Reichen ist plötzlich mehrheitsfähig", schreibt Florian Rötzer, der Chefredakteur des Online-Magazins "Telepolis". Und weiter: "Sollte ausgerechnet in den USA, die auch Europa mit in den Neoliberalismus getrieben haben, eine Umkehr oder Rückkehr in Zeiten geschehen, als durch Steuern versucht wurde, die Kluft in den Gesellschaften nicht zu stark anwachsen zu lassen?"
Könnte jedenfalls. Seit Jahrzehnten wirbt Paul Krugman, Ökonomie-Nobelpreisträger aus New Jersey, für eine Steuerpolitik, die der oft geradezu skandalösen gesellschaftlichen Kluft zwischen Unten und Oben durch hohe und höhere Sätze für Besserverdienende und Reiche entgegenwirkt. Bis in die Siebziger Jahre war sie sogar in den USA "state of the art", mit einem Höchststeuersatz von nicht weniger als 70 (!) Prozent. Dann kam Roland Reagan mit seiner Absenkung auf unter 30 (!) Prozent in zwei Schritten und trat eine weltweite Entwicklung los, die verheerende Folgen hatte. Denn reicher werden seither nur die Reichen, VerliererInnen wurden die anderen und eine öffentliche Hand, der viel Geld für Infrastruktur und soziale Zwecke fehlte. Und erfolgreich wurde einer Mehrheit eingeimpft, Steuererhöhungen seien des Teufels.
Superreiche sollen einen fairen Anteil zahlen
Vier Jahrzehnte mussten vergehen, bis Krugmans Positionen endlich wieder in der realen Politik auf fruchtbaren Boden fielen. Mit den Midterm-Wahlen im vergangenen Herbst zog eine Truppe junger progressiver DemokratInnen ins Repräsentantenhaus ein. In vielen Fragen stehen sie in der Mitte oder sogar eher auf dem rechten Flügel europäischer SozialdemokratInnen. Mit ihren Steuerideen haben sie aber eine Auseinandersetzung losgetreten, deren Auswirkungen noch nicht abzusehen sind. Die junge Muslima Ilhan Abdullahi Omar, eine in Mogadischu geborene Politikwissenschaftlerin und Frauenaktivistin, hat Steuersätze für Superreiche zwischen 70 und 90 Prozent ins Gespräch gebracht, weil dieses "eine Prozent seinen fairen Anteil zahlen muss".
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Joa Falken
am 05.03.2019