Was ist nicht alles geschrieben worden über die junge Frau, die den Fall der Mauer in der Sauna verpasste und sich alsbald als "Kohls Mädchen" in Bonn immer weiter nach oben schlich, bis sie ihren Förderer stürzte und sämtliche Konkurrenten aus dem Wege zu räumen begann. Viel Phantasie gehört nicht dazu, sich vorzustellen, wie sie am Wahlabend in einem roten, grünen, blauen oder ganz andersfarbigen Sakko – 77 an der Zahl sollen es nach dem berühmten Blazer-Power-Plakat insgesamt sein – vor den Kameras steht und gewohnt uneitel Fragen nach den Gründen für den klaren Sieg beantwortet. Mehr oder weniger als One-Woman-Show.
Die große und traditionsreiche Südwest-CDU kann sich jedenfalls kaum zugutehalten, der vierten Kanzlerinnenschaft besonders förderlich gewesen zu sein. Risse und Gräben ziehen sich durch die Partei. Gruppen und Grüppchen führen ihr abgeschottetes, sprachloses Eigenleben und bekämpfen vornehmlich den Rest der christlich-demokratischen Welt zwischen Main und Bodensee. Und dann auch noch die Bundesvorsitzende instrumentalisieren! Sie mischte sich ein in eine Kampfkandidatur, schwächte die Landtagsfraktion. Typisch fürs Klima aber, wie zügig ausgerechnet der mit mickrigen 82 Prozent bestätigte Parteichef Thomas Strobl als Schuldiger am amateurhaft wirkenden Auftritt der Kanzlerin ausgemacht wurde. Sie selber scheint unantastbar. "Mudda oder Buddha?", fragte die "Heute-Show". Eine Mischung davon wohl irgendwie, mächtig, in sich ruhend – und ein bisschen skurril.
Das geht schon los mit diesem Deutsch der Physikerin aus dem Osten. Keine Rede ohne ein halbes Dutzend Präpositionsfehler und sonstige Tapsigkeiten, die immer wieder aufs Neue klarmachen: Mit unserer Muttersprache steht "Äinschie" auf Kriegsfuß. Zwischen ihren rednerischen Fähigkeiten und denen des Parteifreunds Norbert Lammert liegen Meilen. Allen juvenilen Haifischkragenträgern, die in ihrer Partei nach oben schielen, würde die schmerzliche Abwesenheit jeglicher Eloquenz als ernstes Karrierehindernis angekreidet. Der gebürtigen Hamburgerin mit der FDJ-Sprachsozialisation wird selbst das verziehen. Mehr noch: Ihr Singsang ist Kult, Comedians beiderlei Geschlechtes überschlagen sich bei Nachahmversuchen. Stilistisch bleibt sie unerreicht. "In der DDR konnte man bemerken, wie bei einer Beschränkung der Freiheit die gesamte Ausdrucksstärke des Menschen abnahm", sagt sie einmal in einer Regierungserklärung.
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Andreas Lotter
am 14.09.2017