Zahlreiche Rechtsexperten hatten den Regierungsentwurf bei einer parlamentarischen Anhörung ebenfalls als verfassungs- und europarechtswidrig gebrandmarkt. Hauptsächlicher Stein des Anstoßes: Die betroffenen Plattformen werden gezwungen, "offensichtlich rechtswidrige Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen". Sind dafür keine tauglichen Beschwerde- und Säuberungsmechanismen vorgesehen, drohen den Unternehmen erkleckliche Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro. Die Gesetzesbegründung hellt nicht wirklich auf, was unter die Bestimmung fallen soll. Derlei Beiträge seien daran zu erkennen, heißt es dort nur, dass zur Feststellung der Strafbarkeit keine vertiefte Prüfung stattfinden müsse.
Im Zweifelsfall wird gelöscht werden
Was dies in der Praxis nun nach der Übergangsfrist von Oktober an bedeuten dürfte, machte Arnd Haller, Leiter der Rechtsabteilung bei Google für Nord- und Zentraleuropa, jüngst auf einer Konferenz gegen Hass im Netz klar. Innerhalb der Tagesfrist "kann man nicht sonderlich lange juristisch prüfen, sondern muss bestimmte Parameter vornehmen", verdeutlichte der Konzerjurist. Die Ansage werde so lauten: "Im Zweifelsfall löschen wir." Nur wenn bei der in der Kürze der Zeit möglichen "provisorischen Sichtung" erkennbar sei, dass es sich bei einer inhaltlichen Eingabe um eine "Quatschbeschwerde" handle, "werden Inhalte stehen gelassen". Auch Fehlentscheidungen würden so "massiv zunehmen".
Konkret hat Google laut Haller beispielsweise das umstrittene Satirevideo Jan Böhmermanns gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan bisher zunächst trotz darin enthaltener deftiger Äußerungen auf YouTube belassen, bis gerichtlich geklärt worden sei, ob darin rechtswidrige Inhalte enthalten sind. Der Insider ließ keinen Zweifel daran, dass ein solcher Beitrag künftig unverzüglich entfernt werde. Einen Beschwerdeanspruch, wie ihn etwa der Bundesrat über eine "Clearingstelle" ins Spiel gebracht hatte, sehe auch der überarbeitete Gesetzentwurf nicht vor. Dies bedeute angesichts der drohenden schweren Sanktionen: "Ende der Geschichte."
Für Haller steht so außer Frage: "Dieses Gesetz produziert einen Kollateralschaden an der Meinungsfreiheit." Er erinnerte daran, dass hinter strafbewehrten Hassbeiträgen eben Straftäter stünden. Die Netzwerkbetreiber könnten deren Delikte "nur unsichtbar machen für die Allgemeinheit". Eigentlich sei es nötig, "an die Verursacher heranzugehen". Anfragen von Ermittlern bezögen sich aber nur zu einem "verschwindend geringen Anteil" auf "Hate Speech", überwiegend gehe es um Eigentumsdelikte wie gestohlene Telefone. An Falschmeldungen, die das Gesetz ebenfalls erfasst, könne man generell "nicht mit der Keule des Rechtsstaats ran".
4 Kommentare verfügbar
Charlotte Rath
am 11.07.2017"Während des G20-Gipfels hat die Bundesregierung 32 Journalisten die Akkreditierung entzogen"
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-07/g20-gipfel-journalisten-akkreditierung-auslaendischer-geheimdienst-datenschutz