Ein Mutmacher will er sein, der nette Herr mit dem sonoren Gerhard-Schröder-Bariton, kein Vereinfacher. Er will "die Kräfte wecken, die in dieser Gesellschaft stecken, ich will sie wertschätzen und fördern". Etwas Anderes will der Tischlersohn leider nicht: ehrlich jene Hinterlassenschaft ansprechen, die mitverantwortlich dafür ist, dass seine SPD inzwischen bundesweit gerade noch oberhalb der 20-Prozent-Schwelle liegt. Natürlich sind die Gastgeber, allen voran Landtagsfraktionschef Andreas Stoch, zufrieden. "Nach einem intensiven und eindrucksvollen Vier-Augen-Gespräch eben", postet der Ex-Kultusminister aufgekratzt, "bin ich weiterhin voll davon überzeugt, dass er als deutsches Staatsoberhaupt maßgeblich dazu beitragen wird, dass unser Land eine stabile freiheitliche Demokratie in einem geeinten Europa bleibt und der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gestärkt wird".
Der soziale Zusammenhalt. Bei Leni Breymaier, als neue Landesvorsitzende maßgeblich verantwortlich für die Aufräumungsarbeiten nach dem 12,7-Prozent-Debakel bei der vergangenen Landtagswahl, gibt es keine sonntagsredenartigen Formeln, sondern konkrete Zahlen vom konkreten Lebensalltag. Und Forderungen, die nicht nur dem rechten Parteiflügel Zornesfalten ins Gesicht treiben. Sie will kämpfen, auch und gerade im Bundestagswahlkampf, für ein Rentenniveau von 50 statt von 46 Prozent, gegen die "programmierte Altersarmut vor allem von Frauen", für "die kleinen Leute, die nichts zu verkaufen haben als ihre zwei Hände, ihren Kopf und ihre Daten". Und sie macht kein Hehl aus ihrer Überzeugung, dass die SPD genau diese Leute verprellte und noch immer verprellt. Kein Wunder, dass sich Breymaier freut auf den Wahlkampf mit Martin Schulz. "Mich hat es aus den Socken gehauen", sagte sie in entwaffnender Offenheit, als bekannt wurde, dass Sigmar Gabriel dem früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments in Sachen Kanzlerkandidatur den Vortritt lässt – ausdrücklich der größeren Chancen wegen.
Ausgerechnet Steinmeier soll der SPD Leben einhauchen
Gerade in Baden-Württemberg ist viel Luft nach oben. Laut infratest-dimap haben bei der Landtagswahl 30 Prozent der Arbeiter und 32 Prozent der Arbeitslosen im Land AfD und nur 13 beziehungsweise 14 Prozent SPD gewählt. 61 Prozent der sozialdemokratischen Wählerschaft nennt die "soziale Gerechtigkeit" als Hauptwahlmotiv. In absoluten Zahlen verabschiedeten sich per Saldo 90 000 in Richtung AfD und 60 000 in die Wahlenthaltung. Mit neun Prozent einstellig ist die Partei sogar in der Gruppe der Männer im besten Alter zwischen 35 und 44 Jahren. Und in allen einschlägigen Analysen ist die Agenda-Politik ein zentraler Grund für den Niedergang.
Steinmeier hat sich nicht nur in Stuttgart, sondern auch in Kiel oder Brandenburg den Wahlfrauen und -männern vorgestellt. In Hannover hat er sein altes Büro unter dem Dach der niedersächsischen Staatskanzlei besucht, wo er einst als "Hilfsreferent für Medienpolitik" beim Ministerpräsidenten Gerhard Schröder startete, und über die Lebensdauer von Ventilatoren gescherzt. Eben erst startete er einen Aufruf als "Nichtvergesser", um auf die Millionen Menschen aufmerksam zu machen, die weltweit in vergessenen humanitären Krisenregionen leben. "Du brauchst doch nicht wirklich einen Knoten im Tampen, um nicht zu vergessen!?", postete einer seiner Facebook-Freunde.
10 Kommentare verfügbar
Jürgen Michels
am 27.01.2017