Besonders ärgerlich ist, dass der Oberstleutnant der Reserve den Ländern längst wichtige Befugnisse im Kampf gegen den Terror entziehen könnte, wenn er nur wollte. Der ebenfalls von Rot-Grün eingeführte Paragraph 58a Ausländerrecht erlaubt, Abschiebungen in die Verantwortung des Bundes zu stellen, "wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht". Die zuständige Landesbehörde sei "hierüber zu unterrichten". Und in Paragraph 62 sind schon heute die Bedingungen für eine Inhaftierung geregelt, wenn die Abschiebungsanordnung "nicht unmittelbar vollzogen werden kann". Praktiker können ungezählte Fälle beibringen, in denen wegen fehlender Haftplätze oder aus Personalmangel nicht gehandelt werden konnte.
Grün-Rot kann sich in Baden-Württemberg auf die Fahnen schreiben, den Stellenabbau bei der Polizei unter den CDU/FDP-Vorgängerregierungen gestoppt zu haben. "Die Personalstärke des Vollzugsdienstes lag am Ende der Legislaturperiode um mehr als 700 Beamtinnen und Beamte über dem Stand, den wir übernommen haben", lobt Hans-Ulrich Sckerl, der innenpolitische Experte, seine Fraktion für Anstrengungen auf einem Politikfeld, auf dem sich viele Grüne bis heute nur schwer vorstellen können, dass mit derartigen Erfolgsmeldungen tatsächlich zu punkten ist. Aber die Zeiten haben sich geändert, und dementsprechend ist die Zahl 700 auch längst als vergleichsweise gering eingeordnet: Um einen Gefährder rund um die Uhr nie aus den Augen zu verlieren, sind rund 30 Polizisten nötig.
Nutznießer der von de Maizière ausgelösten Kakophonie sind die Rechtspopulisten. Im Internet überschlagen sich AfD-Abgeordnete vor Begeisterung, weil die Union Ideen wie die Fußfessel für Gefährder oder eine - gar nicht mögliche - präventive Festsetzung "endlich" aufnehme, dass es endlich "strenge Gesetze" gebe. Jens Gnisa vom Deutschen Richterbund hält, wie viele andere, dagegen. Die seien gar nicht nötig, sagt er im ZDF, denn die vorhandenen Gesetze reichten aus. Vielmehr werde bei den Bürgern der falsche Eindruck erweckt, der Rechtsstaat sei nicht in der Lage, auf Gewalt und Terror zu reagieren.
Auch auf die Abhilfe von Thomas Strobl darf man gespannt sein
Mit der Handlungsfähigkeit des Staates haben sich alle bisherigen parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschüsse in ihren Abschlussberichten befasst. "Die laufende Qualitätssicherung bei Polizei und Verfassungsschutz muss mit geeigneten Instrumenten sichergestellt werden", schrieben die Stuttgarter Abgeordneten vor einem Jahr in ihren Empfehlungen. In der besonderen Rolle, seiner "Aufsichtsaufgabe" nachzukommen, stehe das Innenministerium, in diesem Fall das baden-württembergische. Und weiter heißt es, "die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit dieser staatlichen Institutionen ist eine der Landesregierung zuvörderst obliegende Pflicht".
Übersetzt in den grün-schwarzen Koalitionsvertrag heißt das: "Wir werden das Landesamt für Verfassungsschutz als Frühwarnsystem der Demokratie bedarfsgerecht ausbauen." Als der neue Ressortchef Thomas Strobl, doppelt zuständig, sozusagen, für Inneres und Digitalisierung, in einer seiner ersten Pressekonferenz auf die Aktenführung aus der Schlapphut-Zeit aufmerksam gemacht wurde, versprach er ähnlich wolkig Abhilfe.
Konkret geht es inzwischen um 30 Fachleute, etwa IT-, Cyber- und Darknet-Experten oder Experten im arabischen Sprach- und Kulturkreis, und um hundert Beamte. Letztere muss sich die Polizei allerdings aus den eigenen Rippen schneiden. Die Stellen werden nicht neu geschaffen, sondern aus "anderen Aufgabenfeldern" abgezogen. Denn alles andere würde Geld kosten. Und ehrlich wäre zu sagen: Das ist auf dem Weg zur Schuldenbremse aber nicht vorhanden.
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Blender
am 14.01.2017