Wieder ist der Aufschrei gewaltig. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich nach dem Amoklauf von München erdreistet, alte unerfüllte Forderungen in neue Überlegungen zu gießen. Dabei geht er mit größter Vorsicht vor, ein sofortiges Verbot von Killerspielen schließt er aus, weil das "nicht der richtige Weg" sei und schwer umzusetzen obendrein. "Aber wir müssen uns intensiv darüber Gedanken machen, wie wir zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit solchen Medien kommen – damit Kinder und Jugendliche nicht ungeschützt Gewalterfahrungen ausgesetzt sind, deren längerfristige Folgen wir nicht sicher abschätzen können", verspricht der Vater von drei Kindern.
Den Lobbyisten der Branche liegt eine differenzierte Replik nicht am Herzen. Sofort wird zurückgeballert: dass der Minister die Debatte anheize – das ist noch einer der harmloseren Vorwürfe – oder dass er widerlegte Vorurteile reanimiere. "Er hat tief in die Neunzigerjahre geblickt und zieht flugs die sogenannten Killerspiele als Ursache für diese Taten aus dem Hut", erklärt Kristos Thingilouthis, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland. Und weiter: "Killerspiele spielt man zu Hause auf seinem Computer oder seiner Spielkonsole, Herr Minister. Man verwendet dafür keine scharfen Waffen, außer Pixeln wird dabei niemand verletzt oder gar getötet."
"Wie ich meine Tochter beim Amoklauf in Winnenden verlor"
Falsch, denn die Szenen bleiben im Kopf und in der Seele der Spieler. Und damit kann die weit überwiegende Zahl der Betroffenen umgehen, zu viele eben aber auch nicht. De Maizière reanimiert keine Vorurteile, sondern er belebt eine notwendige Diskussion. Jahrelang hatten sich Eltern von in Winnenden getöteten Schülern und Schülerinnen dafür starkgemacht, das Radikalisierungs- und Destabilisierungspotenzial von Ego-Shootern ernst zu nehmen. Am vergangenen Sonntag berichtete Hardy Schober, der frühere Vorsitzende des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden, live in den "Tagesthemen", wie er irgendwann entnervt aufgegeben hat. Die Lobby der Hersteller sei noch um einiges mächtiger als die der Waffenhersteller, sagt der Betriebswirt, der letztere schon als unbesiegbar einschätzt und darüber ein 2012 erschienenes Buch geschrieben hat ("Mein Sonnenkind: Wie ich meine Tochter beim Amoklauf in Winnenden verlor und nun gegen die Waffenlobby kämpfe").
17 Kommentare verfügbar
Henrik Neufelder
am 22.08.2016Sicher haben viele der Täter (99% junge Männer) solche Spiele gespielt. Ich denke…