Winfried Kretschmann regt sich auf, wenn man ihm vorwirft, er habe die Jesidinnen instrumentalisiert, um vom Asylkompromiss der sicheren Herkunftsländer abzulenken. 
Wir haben miterlebt, wie bosnische, kosovarische oder afghanischen Überlebende sexualisierter Gewalt immer wieder für politische und mediale Zwecke instrumentalisiert werden. Nehmen Sie nur die afghanischen Frauen, deren Leid für die Intervention der Bush-Administration herhalten mussten. Ob es wirklich um die Frauen geht, sieht man daran, ob aus Hypes wirklich langfristige Ansätze werden. Und das sehen wir ganz selten. 
Nadia Murad wurde das Gesicht der traumatisierten Jesidinnnen. Sie lebt in Stuttgart und wird von der Juristin Amal Clooney unterstützt. Sie sagt: "Wenn wir dem Leben von traumatisierten Frauen einen Sinn geben, also auch mit ihrer Geschichte darauf aufmerksam machen, hilft das bei der Genesung." Dem ist schwer zu widersprechen.
Will ich auch gar nicht. Uns geht es darum, Frauen so zu unterstützen, dass sie ihrem Leben und Leid einen Sinn geben können. Aber wenn einzelne Frauen so ins Rampenlicht gestellt werden, ist die Gefahr groß, dass sie sich irgendwann benutzt fühlen und retraumatisiert werden. Bei unserem Ansatz geht es um Empowerment und Stärkung. Und das wird nur erreicht, wenn es neben der individuellen Unterstützung der Frauen auch politische, systemische Menschenrechtsarbeit gibt. Darüber fehlt vor Ort, aber auch in Deutschland, oft das Wissen. Deshalb haben wir Deutschland im vergangenen Jahr auch zum Projektland erklärt. 
Neben Ruanda, Afghanistan und Nordirak also auch Deutschland? 
Im vergangenen Jahr haben wir viel Hilflosigkeit erlebt im Umgang mit  geflüchteten Frauen. In Deutschland herrscht derzeit eine verrückte  Situation. Winfried Kretschmann holt Jesidinnen nach Baden-Württemberg.  Gleichzeitig flüchten traumatisierte Frauen nach Deutschland, auch aus  dem Nordirak, und müssen monatelang oft ohne jegliche psychosoziale  Unterstützung in Flüchtlingslagern dahinvegetieren. Das ist doch völlig  absurd. Ihre Schwestern in Baden-Württemberg werden mit einem Projekt,  das 90 Millionen Euro kostet, unterstützt, und sie hängen in einem  Flüchtlingslager irgendwo in Deutschland rum. Mit diesem Geld könnte man  den ganzen Nordirak mit Therapiezentren bestücken – denn diese  Bevölkerung wird auf Generationen hinaus traumatisiert sein.
                 
            
        
    
4 Kommentare verfügbar
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		Als jemand, der als städtischer Mitarbeiter einer der Städte, die Yesidinnen und ihre Kinder aufgenommen haben, für deren wohlergehen zuständig ist kann ich nur sagen, ob Unterstützung vor Ort oder Flüchtlingen eine Lebensperspektive in Deutschland geben - kann und wird immer kontrovers diskutiert…
		
	 
 
									 	
								 
								
							
								
							
								
							
								
							
						
Kommentare anzeigenMarkus Kienle
am 27.11.2016