Aus zwei mach einen: Wenn am 11. Mai der baden-württembergische Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt, dann werden die Abgeordneten neben Landtagspräsident oder -präsidentin nur noch einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin wählen. Darauf verständigten sich die Fraktionschefs von Grünen, CDU, SPD und FDP. Bislang waren zwei Vize üblich. Nach alter Gewohnheit hätte dann einer der Posten der Alternative für Deutschland (AfD) als drittstärkster Fraktion zugestanden. Doch dagegen gab es Vorbehalte. Es sei bedenklich, wenn ein rechtspopulistischer Politiker das Parlament nach außen vertrete, hieß es etwa bei den Grünen. Der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke betonte zudem, dass der Verzicht den Steuerzahler entlaste.
Die AfD hätte die Einsparaktion eigentlich erfreuen müssen. Fordert sie im Entwurf ihres Parteiprogramms doch den schlanken Staat sowie kleinere Parlamente. Stattdessen nannte ein Parteisprecher das Vorgehen der anderen Fraktionen verwerflich und undemokratisch. "Wir werden uns im Landtag dagegen wehren", kündigte AfD-Fraktionsvize Emil Sänze an.
Was beim Landtagsvize noch funktioniert, wird der großen Koalition aus AfD-Blockierern bei anderen Gelegenheiten kaum gelingen. Die Rechtspopulisten werden in zahlreiche parlamentarische Gremien einziehen. Nach Beginn der Wahlperiode sind unter anderem das Landtagspräsidium, das Parlamentarische Kontrollgremium sowie mehrere Fachausschüsse neu zu besetzen. Personalwechsel gibt es auch im Petitionsausschuss, im Notparlament und im Wahlprüfungsausschuss. Widerstand scheint zwecklos. Gesetze, Satzungen und Statuten verlangen für viele der Institutionen, dass darin auch die Opposition vertreten ist. Das weiß auch AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen, der nicht nur als Professor an der Verwaltungshochschule Kehl den Politikbetrieb kennt. In den Neunzigerjahren war Meuthen Referent im hessischen Finanzministerium.
Lotto, Theater, Medien: Nichts geht mehr ohne die AfD
Nach den Hebeln der Macht greifen dürfen die Rechtspopulisten auch jenseits des Landtags. Denn der Wahlausgang färbt ebenso auf die Zusammensetzung außerparlamentarischer Gremien ab. Die AfD wird künftig etwa im Kuratorium der Staatlichen Toto-Lotto GmbH sitzen. Kaum bekannt sein dürfte, dass es auch zum Stühlerücken kommt im Richterwahlausschuss, im Wahlausschuss für Staatsanwälte, in den Verwaltungsräten der Staatstheater und des Landestheaters – in Sachsen-Anhalt forderte die AfD bereits mehr deutsche Stücke auf den Bühnen – sowie im Stiftungsrat des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie. Besonderes Augenmerk verdient die Neubesetzung des Rats für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg.
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chr/christiane
am 11.05.2021