Bisher hat das Land Baden-Württemberg jedwede Zahlung von Schadensersatz oder Schmerzensgeld verweigert. Ebenso hat es die grün-rote Landesregierung abgelehnt, sich bei den Opfern zu entschuldigen, mit dem Argument, das Ganze sei unter der Verantwortung der Vorgängerregierung passiert. Nunmehr könnten zumindest die Kläger in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht alsbald Entschädigungszahlungen vor dem Zivilgericht einklagen. Allerdings kann darauf nur hoffen, wer solche Klagen in der Vergangenheit bereits erhoben hat, denn zivilrechtlich ist unsicher, ob Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen des Schwarzen Donnerstags nicht schon verjährt sind. Voraussichtlich muss diese Frage in einem Musterprozess geklärt werden.
Voraussetzung, um sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts beziehen zu können, ist freilich, dass dieses rechtskräftig wird. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil eine Berufung ausgeschlossen. Gegen die Nichtzulassung der Berufung könnte der Beklagte, das Land Baden-Württemberg, Widerspruch einlegen – mit großer Chance, dann auch in die nächst höhere Instanz zu gelangen. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung hat man dafür einen Monat Zeit. Allerdings deuten erste Aussagen nach Verkündung des Urteils darauf hin, dass es wohl akzeptiert werden soll.
Soweit bisherige gerichtliche Strafverfahren rechtskräftig beendet oder eingestellt sind, was auf die allermeisten zutrifft, gibt es keine Möglichkeit mehr, sie neu aufzurollen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Rechtsauffassungen der Strafgerichte fast durchgängig in völligem Widerspruch zur Sichtweise des Verwaltungsgerichts und zum jetzigen Urteil stehen. Beispiel Wasserwerferprozess: Gesetze und Entscheidungen, mit denen das Verwaltungsgericht seine Rechtsauffassung begründete, hat die Strafkammer ersichtlich nicht geprüft, sich vielmehr der – mittlerweile als rechtswidrig anzusehenden – Einschätzung der Staatsanwaltschaft Stuttgart angeschlossen. Genau das hatten Prozessbeobachter und Beteiligte der Strafkammer schon während des Prozesses,<link http: www.kontextwochenzeitung.de politik elendes-ende-2594.html internal-link-new-window> erst recht nach der Verfahrenseinstellung, vorgeworfen.
Welle neuer Strafanzeigen ist zu erwarten
Auf die Staatsanwaltschaft Stuttgart – oder besser auf eine vom Justizminister zu bestimmende andere Ermittlungsbehörde – könnte jetzt eine Welle von neuen Strafanzeigen von Verletzten des Polizeieinsatzes zurollen. Denn nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts war jegliche Anwendung von Mitteln des unmittelbaren Zwangs (Schlagstock, Pfefferspray, Wasserwerfer, aber auch körperliche Gewalt der Polizeibeamten) rechtswidrig. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart vertrat bislang die Auffassung, diese Einsätze seien rechtmäßig und dadurch verursachte Verletzungen gerechtfertigt gewesen (juristisch: Es gab einen Rechtfertigungsgrund für zugefügte Verletzungen). Da nach Auffassung des Verwaltungsgerichts dieser Rechtfertigungsgrund jedoch nicht besteht, sind alle Körperverletzungen rechtswidrig zugefügt worden und strafbar.
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Klaus
am 15.12.201517.12.2015,
17.00 Uhr
ist der genaue Termin und Ort.
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