Das prunkvolle Ambiente im Neuen Stuttgarter Schloss verhieß eine harmonische konstituierende Sitzung des TTIP-Beirats. Doch dann ging es am vergangenen Mittwoch, 30. September, härter zur Sache, als sich die gastgebenden Minister Peter Friedrich (SPD) und Alexander Bonde (Grüne) sowie Finanzstaatssekretär Peter Hofelich (SPD) wohl vorgestellt hatten. Drei Stunden Sitzungsdauer – wozu? "Mir ist nicht klar, was diese illustre Runde hier macht, welche Rolle wir spielen", konstatierte André Baumann, Landesgeschäftsführer des Naturschutzbunds (Nabu). Lutz Güllner, aus Brüssel eingeflogener Kommunikationschef von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, und Daniel Caspary, EU-Parlamentsabgeordneter der CDU, saßen neben den Gastgebern und gaben sich weniger ratlos: Sie rührten kräftig die TTIP-Werbetrommel.
"Am Kopf des Tisches sitzen fünf klare TTIP-Befürworter", rüffelte Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Und Leni Breymaier, als Gewerkschaftsvertreterin am Tisch, stellte gar die Grundsatzfrage: "Was passiert eigentlich, wenn wir TTIP nicht machen?" Eine Antwort erhielt die Verdi-Landeschefin freilich nicht.
Per Tweet hatte Friedrich, im grün-roten Kabinett für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten zuständig, noch zuvor betont, "alle Bereiche des Landes abdeckend" mit dem Gremium diskutieren zu wollen. Bereits im März hatte die Landesregierung inhaltlich Stellung bezogen und Nachbesserungen, etwa bei Verbraucherschutz und den umstrittenen Schiedsgerichten, angemahnt. Mithilfe von 33(!) Beiräten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik wolle man jetzt "zusätzliche Interessen im Land ausmachen und den weiteren Prozess begleiten". "Wir gehen davon aus, dass der Bundesrat seine Zustimmung geben muss", beschrieb Friedrich auf Nachfrage das Mitspracherecht der Länder bei TTIP. Gewissheit und Selbstvertrauen klingen jedoch anders. Darüber hinaus solle der Beirat auch das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse wieder herstellen, hatte Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) betont. Deshalb tagt das Gremium auch nicht hinter verschlossenen Schlosstüren: Zum Auftakt verfolgten rund 70 Bürger die Mammutsitzung.
Transparenz, Fairness, ein klares Regelwerk
Wie auch andernorts, wenn über TTIP gestritten wird, ging es im Neuen Schloss viel um Transparenz und Fairness. "Wir erwarten, dass es keine intransparenten Verhandlungen gibt", betonte Friedrich. Nur ein offenes und faires Abkommen werde die notwendige breite Unterstützung finden, unterstrich auch Verbraucherschutzminister Bonde. Die noch anstehenden Verhandlungsrunden müssten zu einem echten Investitionsgerichtshof anstelle der zunächst vorgesehenen Schiedsgerichte führen, dürften europäische Schutzstandards nicht abschwächen, sollten das Vorsorgeprinzip im Verbraucherschutz berücksichtigen und die Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand garantieren. Wenn das Abkommen diese Voraussetzungen erfülle, dann, da sind sich beide Regierungspartner einig, gereiche es für das Exportland Baden-Württemberg zum Vorteil. "TTIP bietet große Chancen, kann Wohlstand bringen, braucht aber ein klares Regelwerk", sagte Bonde.
15 Kommentare verfügbar
Manfred Fischer
am 10.10.2015Ich gehe mal von einer theoretischen Annahme aus, dass sich in dem Beirat Kritiker und Unkritische die Waage halten. Was aber dann, wenn, wie im obigen Artikel von Frau…